Freitag, 25. Dezember 2015

Nauticus



Verlag: Kosmos
Autor: Wolfgang Kramer / Michael Kiesling
Spieleranzahl: 2 - 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 90 Minuten


Einleitung:

Bei Nauticus bauen die Spieler Schiffe verschiedener Größe und erwerben Waren, die es mittels der fertig gestellten Schiffe zu verladen gilt. Sowohl für komplettierte Schiffe als auch für verschiffte Waren gibt es Siegpunkte. Wer kombiniert die Rollen „Schiffsbauer“, „Kaufmann“ und „Reeder“ am besten und wird erfolgreichster Unternehmer?

Ablauf:

Nachdem der Spielplan vorbereitet und alle Materialien separat bereitgelegt wurden, erhalten die Spieler ein Lager, vier Arbeiter und fünfzehn Taler als Startutensilien. Weiterhin bekommt jeder Spieler ein Set Passe-Plättchen sowie ein Extra-Aktion-Plättchen.

Nauticus verläuft über vier bzw. fünf Runden, die jeweils aus sieben Aktionsphasen bestehen. Diese Aktionen werden immer von allen Spielern durchgeführt, wobei der auswählende Spieler einen zusätzlichen Bonus erhält (z.B. weitere Arbeiter, Schiffsteile, Geld oder Waren). Für jede Aktion stehen den Spielern zunächst fiktive Arbeiter zur Verfügung. Ist deren Kontingent ausgeschöpft, müssen persönliche Arbeiter aus der eigenen Ansammlung abgegeben werden. Die Durchführung von Aktionen kostet grundsätzlich immer den Einsatz von Arbeitern. Für bestimmte Aktionen wie Masten oder Segel kaufen, müssen auch noch Taler investiert werden. Die Höhe der Kosten wird durch den äußeren Bereich des Aktionsrads vorgegeben. Bezahlte Plättchen oder Waren können sofort verbaut werden. Kostenlose Teile wandern hingegen erst ins persönliche Lager und können später durch die Aktion „Transport“ eingesetzt werden, was allerdings den erneuten Einsatz von Arbeitern erfordert.

Schiffe gibt es in verschiedener Größe und entsprechend großer Lagerkapazität für die Waren. Alle Schiffe müssen einheitliche Masten und Segel besitzen. Kronenwappen sind Joker und können beliebig kombiniert werden. Im Gegensatz zu regulären Teilen können diese aber nicht gekauft werden, sondern kommen als Belohnung für fertig gestellte Schiffe ins Spiel. Die Spieler können bei einer Aktion auch passen und dafür eines ihrer Minusplättchen auf die Kronenseite drehen. Bei Auswahl der Aktion „Wertung der Kronen“ können pro eingesetzten Arbeiter alle eigenen Kronenteile direkt in Siegpunkte umgewandelt werden.

Nauticus endet nach der fünften Runde im Spiel zu dritt oder viert, bzw. nach der vierten Runde im Zweierspiel. Dann erfolgt die Schlusswertung. Je nach Größe bringen fertig gestellte Schiffe Siegpunkte und gemäß einer Mengenverteilung alle ausgelieferten Waren. Auch Geld und nicht verwendete Materialien sind noch vereinzelte Siegpunkte wert. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten hat dann gewonnen.

Meinung:

Der Kosmos Verlag ist primär für erstklassige Kinder- und Familienspiele bekannt, aber bereits mit La Citta, Helvetia oder Steam Time konnten die Stuttgarter auch im Bereich der anspruchsvolleren Strategiespiele überzeugen. Mit Nauticus ist (bzw. war) Kosmos ein weiterer Volltreffer gelungen, der allen Vielspielern bedenkenlos weiterempfohlen werden kann.

Nauticus ist zwar durchaus komplex, was die Entscheidungsmöglichkeiten der Spieler angeht, aber dennoch sind die Regeln so eingängig geschrieben, dass der Einstieg leicht fällt und keine Fragen offen bleiben. Das Spiel ist also anspruchsvoll, ohne dabei kompliziert zu sein. Und das ist schon große Klasse, denn oftmals sind komplexe Spiele gleichzeitig auch überkompliziert, und das ist bei Nauticus nicht der Fall. Hinsichtlich des Spielmechanismus durch die Aktionen sind Anleihen von Puerto Rico sicherlich nicht von der Hand zu weisen. Aber das ist auch gut so. Von den Besten zu lernen hat noch niemandem geschadet, und Puerto Rico zählt definitiv zu den überragenden Strategiespielklassikern der Neuzeit. Bezüglich der Thematik steht zweifellos Die Werft Pate, und dieses Spiel gehört ebenfalls zu den Lieblingen vieler Spielefans. Im Vergleich zu Die Werft macht Nauticus sogar den besseren Eindruck, weil die Verschachtelung nicht übermäßig groß ist und das Material nicht so ein Kleinteilgefrickel darstellt. Apropos Material: sowohl das Design von Nauticus als auch die Verarbeitung der Teile ist qualitativ hochwertig, wie man es von Kosmos Spielen gewohnt ist.

Der Spielspaß ist klasse. Die Spieler stehen permanent vor der Entscheidung, möglichst viele kleine Schiffe zu bauen oder mehr Zeit in große Luxusliner zu investieren, die am Ende wesentlich mehr Siegpunkte bringen. Am Anfang empfiehlt sich jedoch eher die Fertigstellung mehrerer kleiner Schiffe, um frühzeitig an Kronenteile zu gelangen. Denn Kronen sind mächtig. Einerseits können sie beliebig beim Schiffsbau eingesetzt werden und andererseits bringen sie „billige“ Punkte bei der Wertung der Kronen. Selbstverständlich steht der Schiffsbau bei Nauticus im Vordergrund, aber auch der Erwerb und die Verschiffung von Waren sollten keinesfalls unterschätzt werden. Denn ganz ohne Warenverschiffung ist die Chance auf den Sieg minimal. Weiterhin ist es durchaus sinnvoll, in einer Runde des Öfteren zu passen, um die Minusplättchen auf die Kronenseite umzudrehen. Alles in allem ist Nauticus ein tolles Spiel, das mit hervorragend geschriebenen Regeln leicht zugänglich ist und dabei besten Strategiespiel-Spielspaß bietet.

Fazit:

Wer Spiele wie Puerto Rico und Die Werft zu seinen Favoriten zählt kommt um Nauticus nicht herum. Dieses Spiel ist ein Garant für Spielspaß der Spitzenklasse und ist daher auch eine glasklare Kaufempfehlung wert.

Freitag, 18. Dezember 2015

Panamax



Verlag: Mesaboardgames / Heidelberger Spieleverlag
Autor: Gil D´Orey / Nuno Bizarro Sentieiro / Paulo Soledade
Spieleranzahl: 2 - 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 90 – 120 Minuten


Einleitung:

Als Geschäftsführer einer Speditionsfirma nehmen die Spieler Aufträge von den nordamerikanischen Küsten sowie China und Europa an. Primäres Ziel ist die Beförderung von Fracht, aber auch Kreuzfahrtschiffe schippern von West nach Ost (und umgekehrt), um Passagiere für diverse Vorteile zu befördern. Doch die Protagonisten sind nicht nur Geschäftsleute, sondern auch Privatiers. Und am Ende gewinnt der Spieler mit dem größten Privatvermögen, daher kann sich die Investition in Fremdfirmen durchaus lohnen, wenn absehbar ist, dass deren Aktien steigen.

Ablauf:

Zunächst wird der Spielplan in die Mitte gelegt und mit allen benötigten Utensilien bestückt (z.B. Bonuskarten, Würfelvorrat, Spezialschiffe usw.). Jeder Spieler erhält seine Firma mit vier Aktien der eigenen Farbe sowie 18 Dollar als Geschäftskapital (auf die Firmentafel legen). Davon losgelöst erhalten die Spieler jeweils sechs Dollar und eine Aktie als Privatvermögen (in den persönlichen Bereich legen). Generell ist die Trennung zwischen Firmen- und Privatvermögen essentiell wichtig für den gesamten Spielverlauf. Weiterhin beginnen die Spieler mit zwei Finanzberaterkarten, einer Vertragskarte und den Würfeln der eigenen Farbe.

Der zentrale Bereich des Spielplans zeigt die verfügbaren Aktionsmöglichkeiten. Panamax ist ein Diceplacement Spiel. Zu Beginn werden 16 Würfel geworfen und nach Augenzahl in die entsprechenden Felder platziert. Würfel mit Zahlen von 1-3 erlauben Schiffsbewegungen, währen die Zahlenwerte von 4-6 Auftrags- und Verladeaktionen ermöglichen. Der aktive Spieler nimmt einen Würfel aus einer Spalte und führt die entsprechende Aktion aus. Schiffsbewegungen unterscheiden sich in Wasserbewegungen und Schleusenbewegungen. Die Symbole auf dem Spielplan geben die erforderliche Bewegungsart vor. Grundsätzlich bewegen sich die Schiffe von West nach Ost bzw. umgekehrt. Der Weg hängt vom Starthafen ab. Aufträge hängen vom erforderlichen Hafen ab und erlauben die entsprechende Verladung von Fracht. Erledigte Aufträge bringen dem Spediteur Geld ein. Die Summe ist abhängig von den verschifften Würfeln (=Fracht). Auch fremde Spieler dürfen sich am Verschiffen beteiligen und erhalten nach Ablieferung ebenfalls Vorteile.

Transportierte Würfel auf Passagierschiffen (=Passagiere) bringen dem Spieler kein Geld ein, aber dafür erhält der Spediteur einen permanenten Vorteil, der für das ganze Spiel gilt. Militärschiffe sind neutral und können von allen Spielern bewegt werden. Dafür gibt es Geld gemäß der Landesmarker, die man durch erfüllte Aufträge erhält.

Generell erhalten die Spieler Geld für Dividenden von Firmen, an denen man Anteile hält sowie durch die angesprochenen Militärschiffsbewegungen. Am Ende gibt es noch Kohle für den Verkauf aller eigenen Firmenanteile und eventuell für diverse Finanzberater-Sonderkarten. Außerdem bekommen die Spieler mit den profitabelsten Firmen nach jeder Runde einen Direktorenbonus. Im Lauf einer Partie können auch Firmenanteile (Aktien) von fremden Firmen erworden werden. Panamax endet nach der dritten Spielrunde. Der Spieler mit dem größten Privatvermögen (nicht das Firmengeld!) hat dann gewonnen.

Meinung:

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Selten war dieses Sprichwort bezogen auf ein Brettspiel so berechtigt wie im Fall von Panamax. Das Studium des Regelwerks ist reinste Knochenarbeit und bereitet in etwa genauso viel Freude wie eine Hämorride beim sch…
Die Anleitung ist fürchterlich konzipiert, grauenhaft strukturiert und miserabel geschrieben. Der Autor dieser „Perle“ schafft es bravourös, einen an sich simplen Mechanismus derart zu verkomplizieren, dass der Spielreiz bereits nach dem Durchlesen der Hälfte gänzlich in den Keller geht und der designierte Erklärbar über die Forderung von Schmerzensgeldansprüchen nachdenken sollte. Und das ist wirklich jammerschade, denn eigentlich ist Panamax ein richtig geiles Spiel.

Hat man sich nämlich endlich durch die Spielregel durchgeackert, offenbart Panamax ein erfrischend neues Thema, gepaart mit Spielwitz, Tiefe und Anspruch. Geeignet ist das Ganze ausschließlich für Kenner, Experten und Vielspieler, während Familien und Gelegenheitsspieler gnadenlos überfordert sein dürften. Eine große Hürde beim Einstieg ist neben der schriftlichen Regelgrütze die konsequente Trennung von Firmen- und Privatvermögen. In vielen Fällen mehren sich bei Geldausschüttungen die Fragen, ob die Kohle nun in den Privatbesitz übergeht oder als Kapital bei der Firma bleibt. Dieses Element muss unbedingt verinnerlicht werden, um das Spiel im Gesamtkontext zu verstehen. Wer diese Hürde gemeistert hat muss dann noch die vielen Details lernen/beachten, auf die in der Ablaufbeschreibung natürlich nicht in Gänze eingegangen werden konnte. Dann wird der geneigte Experte mit einem richtig guten Wirtschaftsspiel belohnt, das trotz Ecken und Kanten seinen Reiz hat.

Grundsätzlich sind bei Panamax die Frachtgutkosten im Auge zu behalten. Wer hier zuviel bezahlt, bekommt später Probleme mit den Investitionen und der Devisenausschüttung der Folgerunden. Waren im Lagerhaus sind totes Kapital. Ein Verschiffen lohnt sich in jedem Fall, gegebenenfalls sogar auf einem Schiff eines Mitspielers. Überhaupt sollten die Spieler durchaus auf Aktien und Schiffsverladungen ihrer Gegner setzen, um ein gut balanciertes Portfolio sein Eigen nennen zu können. Wer nur an seine eigenen Aufträge und seine eigenen Firmenaktien denkt, hat in der Regel wenig Chancen auf den Sieg. Auch die Bewegung von Militärschiffen kann sich lohnen, wenn man entsprechende Ländermarker besitzt. Und auch Finanzberaterkarten bringen unter Umständen viel Geld ein, so dass auch diese immer im Hinterkopf präsent sein sollten.

Jede Entscheidung will gut überlegt sein, weshalb Panamax in Grüblerkonstellationen nahezu immer die angegebene Spielzeit überschreitet. Vor allem in den ersten paar Partien sollten die Spieler mit mindestens drei Stunden kalkulieren, denn in Verbindung mit ausgiebigen Nachdenken ist diese Dauer absolut nicht ungewöhnlich. Ein optischer Leckerbissen ist Panamax sicher nicht. Das Spiel ist zweckdienlich gestaltet, aber ein Augenorgasmus stellt sich definitiv nicht ein.

Fazit:

Was bleibt somit zu bilanzieren? Panamax ist grundsätzlich ein gelungenes Kennerspiel, das aufgrund der grottenschlechten Spielanleitung und der gediegenen Optik aber massive Punkteabzüge hinnehmen muss. Wer Spiele wie Funkenschlag zu seinen Favoriten zählt, kann sich über eine Anschaffung aber sicherlich Gedanken machen (wobei anzumerken ist, dass diese beide Spiele grundverschiedene Mechanismen haben). Hat man Panamax erstmal verstanden, macht das Spiel richtig viel Spaß (zumindest den Wirtschaftsspiel-Experten). Daher kann trotz der geschilderten Negativfaktoren immer noch eine eingeschränkte Weiterempfehlung ausgesprochen werden.

Samstag, 5. Dezember 2015

Mage Knight



Verlag: Wizkids / Asmodee
Autor: Vlaada Chvátil
Spieleranzahl: 1 - 4
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: 60 – 240 Minuten


Einleitung:

Ritter, Feinde, Ruinen, Zauber, Höhlen etc. Fantasy-Spielerherz, was willst Du mehr. Bei Mage Knight übernehmen ein bis vier Spieler die Rolle eines tapferen Kämpfers, der auf der Suche nach der geheimnisvollen Hauptstadt unzählige Abenteuer bestehen muss. Tritt ein in die Welt von Mage Knight und erlebe ein episches Deckbuilding-Adventure-Fantasy-Rollen-Brettspiel.

Ablauf:

Zu Beginn erhält jeder Spieler seine Spielfigur mit einem Wappen, einem Marker und dem Start-Kartendeck, das anfangs aus 16 Karten besteht. Das weitere Material wird für alle leicht zugänglich bereitgelegt. Vor allem die Ansehenstabelle und die Ruhmesanzeige sollten jederzeit gut einsehbar sein. Mage Knight verläuft über Tag- und Nachtphasen. Das Einsteigerspiel beginnt am Tag. Das Spielziel ist das Aufspüren der Hauptstadt. Hierzu werden sukzessive neue Landschaftsfelder angelegt und immer wieder neue Orte entdeckt.

Jeder Spieler mischt sein Kartendeck und zieht fünf Karten auf die Hand. Weiterhin wählen alle Spieler eine Taktikkarte aus, die einerseits die Spielerreihenfolge bestimmt und andererseits diverse Sonderfunktionen ermöglicht (z.B. das Nachziehen weiterer Karten u.v.m.). Nun spielt der Startspieler seine Handkarten aus. Diese Karten können für Bewegungen, Interaktionen, Erkundungen oder Kämpfe eingesetzt werden. Die Symbolik auf den Karten gibt die jeweiligen Verwendungsmöglichkeiten vor. Um weitere Einheiten anzuwerben (=weitere Karten kaufen) muss die Ansehenstabelle einen gewissen Mindestwert anzeigen. Nachdem der aktive Spieler sämtliche Aktionen ausgeführt hat, zieht er fünf neue Karten auf die Hand und der nächste Spieler ist an der Reihe. Die Aktionskarten sind in der Regel zweigeteilt und erlauben eine einfache oder eine starke Wirkung. Um die starke Wirkung nutzen zu können, benötigt der Spieler das passende Mana, das von den Manawürfeln der Quelle entnommen wird.

Die Anzahl der Bewegungen ist abhängig von der Tages- bzw. Nachtzeit in Verbindung mit der zu überquerenden Landschaft. Landet ein Spieler auf einem Feld neben einem Gegner kommt es zum Kampf. Die Stärke des Feindes ist ersichtlich an den Angaben auf den runden Feindesplättchen. Zunächst muss sich der angreifende Spieler zwischen Fernkampf oder Belagerung entscheiden. Der Verteidiger hat die Möglichkeit den Angriff zu blocken und zum Gegenangriff überzugehen. Für jeden Verlust muss der unterlegene Spieler eine Verletzungskarte in sein Kartendeck legen. Gewonnene Kämpfe bringen Ruhmespunkte, die auch dazu führen, dass der Spielercharakter immer stärker wird und der Marker auf der Ruhmesleiste vorgesetzt wird.

Das Spiel endet, sobald ein Spieler durch Anlegen einer neuen Landschaftstafel die Hauptstadt entdeckt. Nun erfolgt noch eine Schlusswertung, und der Spieler mit den meisten Ruhmespunkten hat dann gewonnen.

Meinung:

Wichtige Vorab-Info: die oben erläuterte Ablaufschilderung ist die Beschreibung des Einsteigerszenarios. Im fortgeschrittenen Spielmodus kommen etliche Alternativen und erweiterte Regeln zum Einsatz. Da diese fortgeschrittene Spielvariante sehr ausufernd ist, wurde bewusst der Anfängermodus vorgestellt, um die Leser nicht mit den wahrhaft episch ausführlichen Spielregeln zu erschlagen.

Kommen wir nun zur eigentlichen Meinung, die zunächst nahtlos an den Einleitungsworten dieses Blocks anknüpft. Mage Knight ist gigantisch-episch, und das in jeglicher Beziehung. Die Spielanleitung stellt den Spieler gleich mal vor eine Herausforderung. Aber nicht etwa, weil sie schlecht geschrieben ist. Ganz im Gegenteil … die Regeln sind toll strukturiert und gut erläutert. Aber die Masse an Details erschlägt den Leser. Diese Menge an Feinheiten sorgt demzufolge dafür, dass der Erklärer auch im Laufe des Spiels immer wieder im Regelheft nachlesen muss, bis er nach einigen Partien alles verinnerlicht hat. Die Einarbeitung ins Regelwerk lohnt sich aber, weil Mage Knight dann alles bietet, was sich das Fantasy-Rollen-Brettspielherz nur wünschen kann.

Die Charakterisierung von Mage Knight ist ähnlich ausufernd wie die Spielanleitung. Mage Knight beinhaltet nämlich Einflüsse von Rollenspielen mit Adventure-Feeling im Deckbuilding-Modus. Der Kartenmechanismus erinnert natürlich ein kleines bisschen an Dominion, Thunderstone und Konsorten, aber bis auf das Deckaufbauprinzip war´s das dann auch schon mit den Ähnlichkeiten. Der Rest ist wuchtig-komplexer Brett-Rollenspielspaß der absoluten Spitzenklasse. Ein wichtiger Teilaspekt ist die Rekrutierung von zusätzlichen Militäreinheiten, um die Kämpfe gegen etliche Kreaturen gewinnen zu können. Auch mächtige Zaubersprüche und Artefakte führen zu einer sukzessiven Steigerung des Charakters, und diese ist auch durchaus von Nöten, da die Gegner stellenweise verdammt stark sind.

Eine herausragende Idee ist die Kampagnenvielfalt von Mage Knight. Diese Varianten bieten beispielsweise die Auswahl zwischen einem Kooperationsmodus oder „Jeder gegen Jeden“ an. Und selbstverständlich kann der Schwierigkeitsgrad problemlos eingestellt werden. In Verbindung mit dem ausgezeichneten Spielspaß und der grandiosen Optik sorgt diese Vielfalt für einen Wiederspielreiz, der seinesgleichen sucht. Für eine Partie Mage Knight sollten die Spieler aber jede Menge Zeit einplanen. Je nach ausgewählter Kampagne kann ein Spiel locker zwischen zwei bis vier Stunden dauern, wobei selbstverständlich auch die Spieleranzahl zu berücksichtigen ist. Je mehr Spieler, desto länger dauert das Spiel. Und desto länger sind die Wartezeiten, bis man wieder am Zug ist. Daher kann Mage Knight auch durchaus für zwei Spieler oder sogar als Solitärspiel empfohlen werden. Zu dritt oder viert kommt zwar noch mehr Spannung auf, aber dann sollten die Spieler wirklich keine Probleme mit einer längeren Spieldauer haben.

Alles in allem ist Mage Knight ein innovatives und originelles Klassespiel, das unzählige Stunden Spielspaß garantiert. Sofern ein Spieler keine Berührungsängste mit extrem vielen Detailregeln und komplizierten Mechanismen hat, bekommt er ein überragendes Spiel geboten, das dem angesprochenen Klientel bedenkenlos weiterempfohlen werden kann.

Fazit:

Mage Knight ist ein monumentales Spiel. Was Krieg und Frieden für die Literatur ist, ist Mage Knight für das Fantasy-Abenteuer-Rollenbrettspiel-Genre. Schwere Kost, doch wer sich darauf einlässt, wird durch viele Stunden Spielspaß belohnt.

Dienstag, 24. November 2015

Abenteuerland



Verlag: Haba
Autor: Michael Kiesling / Wolfgang Kramer
Spieleranzahl: 2 - 4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 45 Minuten


Einleitung:

Stattliche Städte, weite Wälder, raue Bergregionen, der große Fluss und gefährliche Nebelgebiete prägen das Abenteuerland von König Agamis. Da der Herrscher eine Bedrohung der aggressiven Nebelwesen fürchtet, bittet er zwei bis vier wagemutige Helden, diesen Kreaturen entgegen zu treten. Wer erspielt durch Geschick und mit Glück die meisten Siegpunkte und gewinnt damit das Spiel?

Ablauf:

Der Spielplan zeigt ein Land, das in verschiedene Regionen kartiert ist, d.h. in Spalten und Zeilen unterteilt ist. Nachdem das Spielfeld in die Mitte gelegt wurde, einigen sich die Spieler auf ein Abenteuerszenario. Nun werden alle benötigten Utensilien gemäß diesem Szenarium aus- bzw. bereitgelegt.

Jeder Spieler beginnt mit mehreren Abenteurerfiguren, die in der linken oberen Ecke in den Zeilen A – E und in den Spalten 1 – 5 aufgestellt werden. Jetzt werden acht Geländekarten nacheinander aufgedeckt. Jede Karte beinhaltet eine Koordinate sowie ein Material oder eine Figur (Schwerter, Kräuter, Gold, Gefährten, Nebelwesen). Das entsprechende Feld des Spielplans wird mit dem Plättchen bestückt. Für platzierte Nebelwesen-Plättchen wird eine weitere Karte gezogen und ausgeführt.

In seinem Zug führt der aktive Spieler zwei Aktionen aus. Zunächst zieht er zwei Geländekarten und bestückt damit den Spielplan. Anschließend darf er mit einem oder zwei Abenteurerfiguren ziehen. Abenteurerfiguren dürfen nur östlich und/oder südlich bewegt werden, also nur nach rechts und/oder nach unten. Landet ein Abenteurer auf einem Feld mit Plättchen, nimmt er dieses Plättchen an sich. Dafür erhält er das abgebildete Material (z.B. ein Schwert, einen Gefährten etc.). Zieht ein Abenteurer auf ein Feld mit einem Nebelwesen, muss er dieses sogleich bekämpfen. Der Kampfwert des Abenteurers setzt sich zusammen aus den Stärkewerten des Helden und der Gefährten (jeweils 1 Stärkepunkt). Weiterhin dienen Kräuter und Gold als Stärkepunkt. Schwerter können für den Einsatz von Würfeln verwendet werden. Das Würfelergebnis entspricht dann der Anzahl an Stärkepunkten. Ist der Gesamtstärkewert des Abenteurers höher als die Stärke des Nebelwesens, nimmt der Spieler das Nebelwesenplättchen an sich. Je nach Szenario gibt es dafür sofort oder am Ende des Spiels Siegpunkte.

Abenteuerland endet, sobald es im Vorrat keine Schwerter und keine Gefährten mehr gibt. Je nach vereinbartem Szenario werden nun die Siegpunkte ausgewertet. Der Spieler mit den meisten Punkten hat dann gewonnen.

Meinung:

Nachdem Haba bislang primär für Kinderspielzeug bekannt war, erweitert der Verlag mit Abenteuerland seine Produktpalette nun in Richtung Familienspiele. Und diese Expansion ist zweifellos sehr gut gelungen. Abenteuerland ist mit seinen drei Szenarien hervorragend für Familien und Gelegenheitsspieler aber auch für Vielspieler geeignet.

Die Gefährten ist das leichteste Abenteuerszenarium und der ideale Einsteig für Familien. In diesem Abenteuer werden die Siegpunkte sofort vergeben und der entsprechende Wertungsstein auf der Wertungsleiste nach vorne gezogen. Siegpunkte gibt es für besiegte Nebelwesen, Gefährten und Gold. Kräuter- und Schwerter-Plättchen bringen keine Siegpunkte. Diese gibt es aber schon im zweiten Szenarium Die Glorreichen. Hinsichtlich der Gefährtenbegleiter wird hier nur die größte Gruppe gewertet und mit 3 multipliziert. Richtig anspruchsvoll wird es bei Flucht in die Städte. In diesem Szenarium gibt es eine Zusatzwertung für die meisten besiegten Nebelwesen und für das meiste Gold, außerdem wird jede der fünf Städte einzeln ausgewertet. Des Weiteren gibt es bei diesem Abenteuer auch Minuspunkte für alle Abenteurer, die nicht in einer Stadt stehen. In den Testrunden kam dieses Szenarium am besten an, allerdings ist es definitiv das komplexeste Abenteuer, da die Spieler hier sehr viele Faktoren im Auge behalten müssen.

Nichtsdestotrotz ist Abenteuerland keine allzu große Herausforderung für gestandene Strategie-Vielspieler. Auch wenn das Spiel als Strategiespiel deklariert ist, handelt es sich in erster Linie um ein Familienspiel, dessen drittes Szenario ein bisschen anspruchsvoller ist und sich an ambitioniertere Spieler richtet. Aufgrund der Unterteilung in Szenarien sind mit hoher Wahrscheinlichkeit kleinere Erweiterungen zu erwarten, denn das Konzept ist dafür geradezu prädestiniert. Das Spiel macht zu dritt oder viert sicherlich mehr Spaß als zu zweit, denn auf dem Spielfeld belebt Konkurrent definitiv das Geschäft. Da auch das Material gut verarbeitet ist und die Optik das Auge erfreut, kann Haba mit Sicherheit ein gelungener Start ins Familienspielgeschäft bescheinigt werden.

Fazit:

Familien bekommen mit Abenteuerland einen sehr guten Einstieg in das Genre der (leicht) anspruchsvollen Brettspiele geboten. Das Spiel erfindet das Rad zwar nicht neu, aber es macht großen Spaß und ist spannend. Glückwunsch zu diesem gelungenen Einstieg. Daumen hoch!

Dienstag, 17. November 2015

Bretagne



Verlag: Placentia Games / Heidelberger Spieleverlag
Autor: Marco Pozzi
Spieleranzahl: 2 - 4
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: 90 – 120 Minuten


Einleitung:

Als Architekten im Frankreich des 19. Jahrhunderts bauen zwei bis vier Spieler diverse Leuchttürme in der Bretagne. Die Konstruktion der Leuchttürme erfolgt unter widrigen Wetterverhältnissen und unter Abgabe der benötigten Ressourcen. Außerdem sind sowohl Arbeiter als auch Ingenieure für den Bau der Türme erforderlich. Strategische Planungen und taktische Entscheidungen sind unerlässlich, um durch optimale Abläufe die Konkurrenz zu übertrumpfen.

Ablauf:

Zunächst wird der Spielplan in die Mitte gelegt und mit den benötigten Utensilien bestückt. Der Spielplan zeigt eine Karte der Bretagne, die in drei Gebiete aufgeteilt ist, in denen sich kleine Hafenstädte und Bauplätze für Leuchttürme befinden. Weiterhin gibt es vier große Städte, wo sich die Spieler Baumaterial besorgen können, sonstiges Material und Ausrüstung kaufen können und weitere Arbeiter sowie Ingenieure engagieren können. Die zu bauenden Leuchttürme unterscheiden sich in drei Kategorien: Himmel-Leuchtturm, Fegefeuer-Leuchtturm und Hölle-Leuchtturm. Die Kosten und Erträge dieser Leuchttürme hängen von der Kategorie ab.

Bretagne dauert maximal fünf Runden, die in verschiedene Phasen unterteilt sind. In der Rundenvorbereitungsphase wählen die Kontrahenten gemäß der Spielerreihenfolge einen Kahn aus, der einerseits Ingenieure und ggf. Münzen liefert und andererseits zum verschiffen von Ressourcen in der Folgephase dient. Nun erhalten die Spieler ihr Rundeneinkommen für ihre eingesetzten Arbeiter in den Häfen. Je nach Art des Hafens erhalten die Spieler Materialien, Arbeiter, Ausrüstungskarten, Ingenieure oder Siegpunkte. Anschließend  werden die Märkte in Brest und Quimper aufgefüllt. Während der Materialbeschaffung beladen die Spieler ihre Kähne mit den Ressourcen aus Quimper. Je Reihe im Kahn darf eine Ressourcensorte gewählt werden. Nachdem alle drei Reihen beladen wurden, beginnt die Aktionsphase. In dieser Phase können die Spieler Bauen, Handeln oder Passen.

Mittels der Bauaktion kauft der aktive Spieler ein Bauteil-Plättchen, indem er die angegebenen Materialien abgibt. Anschließend erhält er eine Belohnung, die von der Anzahl der abgegeben Substanzen abhängt. Nun legt er das Plättchen auf einen Leuchtturm und gibt die erforderlichen Baukosten ab. Pro abgegebenes Material platziert der Spieler einen Arbeiter auf das Bauteil. Diese Arbeiter kann er nach Belieben wieder für zwei Siegpunkte zurücknehmen oder für eine eventuelle Leuchtturmwertung stehen lassen.

In Brest oder Lorient kann ein Spieler auf den jeweiligen Märkten handeln. Dabei kann er sowohl kaufen als auch verkaufen (z.B. Materialien, Ingenieure, einen zusätzlichen Arbeiter Ausrüstungskarten). Sobald ein Spieler keine Aktion mehr ausführen kann oder will, muss er passen und legt seinen Marker auf die nächste freie Stelle der Spielerreihenfolgeleiste in Pontivy.

Nachdem alle Spieler gepasst haben, kommt es zur Leuchtturmwertung aller soeben gebauten Leuchttürme. Ein Leuchtturm gilt als errichtet, wenn alle Stockwerke mit Bauplättchen belegt sind. Für abgegebene Ausrüstungskarten erhalten die Spieler Siegpunkte. Pro ausgespielte Karte muss aber auch ein Arbeiter entfernt werden, der zum persönlichen Vorrat zurückkommt. Wer dann noch Arbeiter auf dem Leuchtturm übrig hat, darf anschließend einen Arbeiter für eine Münze auf ein Hafenfeld setzen (welches in den Folgerunden ein festes Einkommen liefert). Befinden sich dann immer noch Arbeiter auf dem Turm, erfolgt eine Mehrheitswertung. Der Spieler mit den meisten verbliebenen Arbeitern erhält die Mehrheitensiegpunkte.

Das Spiel endet spätestens nach der fünften Runde oder verfrüht in dem Moment, wo alle Leuchttürme gebaut worden sind. Nun werden noch Restsiegpunkte für die Positionen auf der Spielerreihenfolgeleiste, den Arbeitern in den Häfen und für je drei Münzen vergeben. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten hat dann gewonnen.


Meinung:

Wow … was für ein Volltreffer. Bretagne ist neu, ungewöhnlich und hat ein frisches Thema, das ansatzweise lediglich bei Titania gestreift wurde. Nach dem Öffnen der Schachtel schockt zunächst das dicke Regelwerk den erwartungsfreudigen Spieler, aber sogleich stellt sich heraus, dass das Heft multilingual ist und vier Sprachen umfasst. Die deutsche Regel besteht aus zehn Seiten, wobei das Cover eine ganze Seite einnimmt. Also stellt sich jetzt die Frage, ob ein Spiel mit gerade mal neun effektiven Regelseiten hochanspruchsvoll sein kann. Und um die Antwort sofort zu geben: Oh ja … das kann sein!

Bretagne ist definitiv ein Spiel für Kenner- und Vielspieler. Kinder und unerfahrene Familien dürften hier gnadenlos überfordert sein. Die Aktionsphase bietet den Spielern etliche Möglichkeiten, da die Anzahl der Aktionen eigentlich nicht limitiert ist. Erst wenn dem Spieler die Arbeiter bzw. Handlungsmöglichkeiten ausgehen ist er gezwungen zu passen. Demzufolge kann sich diese Phase durchaus hinziehen, aber dennoch ist die Downtime erträglich und die Spannung bleibt permanent erhalten. Downtime bedeutet übrigens die „Leerzeit“, bis man selbst wieder am Zug ist.

Als aktiver Spieler darf man in Brest und Lorient sämtliche Aktionen in beliebiger Reihenfolge durchführen, aber jede Aktion nur einmal. Um ein optimales Ergebnis zu erzielen ist also eine gut geplante Abfolge der Handelsoptionen essentiell, da das Ergebnis in der Regel auch als Vorbereitung für weitere Aktionen dient. Bretagne ist im Gegensatz zu vielen anderen Veröffentlichungen kein Mangelspiel im eigentlichen Sinn. Lediglich die Anzahl der Arbeiter und das liebe Geld lassen immer zu wünschen übrig, weswegen sich ein frühzeitiges Engagement von weiteren Arbeitern lohnt. Doch eine zusätzliche Arbeiterrekrutierung ist teuer, und Geld muss erstmal verdient werden. Aus diesem Grund haben einige Spieler nach Möglichkeit auch gerne den vierten Kahn gewählt, denn dieser bringt dem Spieler neben zwei Ingenieuren auch zwei Münzen. Doch dafür ist man halt immer als Letzter an der Reihe – sowohl bei der Auswahl der Baumaterialien als auch bei den Aktionen. Die Verzahnungen und die Balance von Bretagne sind schlichtweg vorbildlich und genial. Jede Position und jede Entscheidung hat Vor- und Nachteile, und die Abwägung dieser Faktoren bringt den Prozessor im Gehirn ganz schön zum glühen.

Die nächste schwierige Entscheidung stellt sich nach dem Bau eines Leuchtturms. Soll ich meine Arbeiter für zwei lausige Siegpunkte zurücknehmen um weitere Aktionen durchführen zu können, oder soll ich die Arbeiter für die Wertungsphase stehen lassen? Zumeist lohnt sich das Stehenlassen, doch der worst case tritt ein, wenn der Leuchtturm nicht fertig gestellt wird und im Bau bleibt. Dann müssen die Arbeiter nämlich stehengelassen werden und stehen dem Spieler in der nächsten Runde nicht zur Verfügung. In diesem Zusammenhang kann es auch vorkommen, dass ein Mitspieler im Regen stehen gelassen wird, indem die Konkurrenten einfach nicht an diesem Leuchtturm weiterbauen. Ein solches Verhalten führt mit hundertprozentiger Sicherheit zu größter Verärgerung und dem Bedürfnis nach Rache ;-)

Sowohl der Spielspaß als auch der Wiederspielreiz von Bretagne sind gigantisch hoch. Kenner- und Vielspieler schätzen und lieben die vielfachen Handlungsoptionen, bei denen sich übrigens kein Königsweg herauskristallisiert hat. Und aufgrund der vielen aber trotzdem überschaubaren Möglichkeiten bleibt die Motivation zur Strategieoptimierung ungebrochen hoch. Bretagne hat sich somit als absolut empfehlenswertes Brettspiel mit Anspruch herausgestellt, an dem es spielerisch nichts groß zu kritisieren gibt. Redaktionell hätte die Spielregel jedoch besser ausfallen können, außerdem gibt es viel zu wenig 1er Münzen. Last not least verwirrt ein Übersetzungsfehler auf der letzten Seite, denn 1 Siegpunkt gibt es für den dritten und nicht für den ersten Platz.

Fazit:

Bretagne ist mit Sicherheit ein echter Insider-Tipp, den alle Vielspieler unbedingt näher unter die Lupe nehmen sollten. Das Spiel hat Tiefe, ist abwechslungsreich und spannend und besitzt eine tolle Wiederspielattraktivität. Außerdem sind die Mechanismen überwiegend neu und originell, so dass Bretagne extrem eigenständig ist. Top! Einfach ein geiles Spiel.

Donnerstag, 12. November 2015

Steam Time



Verlag: Kosmos
Autor: Rüdiger Dorn
Spieleranzahl: 2 - 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 90 Minuten


Einleitung:

Mythische Orte wie Stonehenge oder die Pyramiden haben schon immer die Fantasie der Menschheit beflügelt. In Steam Time sendet das „Temporalinstitut zur Monumentexploration“ zwei bis vier Spieler aus, um diese Bereiche zu ergründen, da dort die Zeit verrückt spielt. Wer setzt seine Luftschiffe am besten ein, um mit einzigartigen Kristallen die optimale Anzahl an Ansehenspunkten zu erspielen?

Ablauf:

Zunächst wird der Spielplan aufgebaut und gemäß der Anleitung mit den benötigten Utensilien bestückt. Anschließend erhält jeder Spieler eine Luftschifftafel, drei Luftschiffe, acht Gold sowie diverse Kristalle und ggf. Steam, die abhängig von der Spielerreihenfolge vergeben werden. Die Reglerscheiben (=Marker) der Spieler werden auf die Ansehensleiste, die eigene Steam-Leiste und das Startfeld des eigenen Zeitportals gelegt.

Steam Time verläuft über fünf Runden, die jeweils in drei Phasen unterteilt sind. In der Einkommensphase erhalten die Spieler für ihre gebauten Upgrades ein bestimmtes Einkommen, welches von der Art des Upgrades abhängig ist (Gold, Ansehen, Kristalle). Kristalle werden in die farblich passenden Generatorenausbuchtungen der Luftschifftafel gelegt. Je nach Aktion bringen diese Kristalle diverse Boni. Außerdem dienen sie als Zahlungsmittel für Expeditionen und Aufträge.

Nun folgt die Aktionsphase. In dieser Phase kann der aktive Spieler die Startspielerkarte nehmen und sich damit Sonderaktionen sichern, oder er setzt eines seiner Luftschiffe auf ein Aktionsfeld des Hauptspielplans. Der aktuelle Startspieler darf in seinem ersten Zug die Startspielerkarte nicht nehmen (erst ab dem zweiten Zug, sofern die Karte dann noch verfügbar ist). Das Einsetzen eines Luftschiffs löst eine Aktion aus. So kann der Spieler beispielsweise eine Auftragskarte nehmen, die am Ende des Spiels Siegpunkte einbringt, wenn der Spieler dann noch die benötigten Kristalle abgeben kann. Oder der Spieler entscheidet sich für eine Begegnung mit einer historischen Persönlichkeit, die bestimmte Vorteile gewährt. Wählt der Spieler ein Kristall-Aktionsfeld, kann er beliebig viele der dort vorhandenen Kristalle für je zwei Gold kaufen. Eine weitere Aktionsmöglichkeit ist der Bau eines Upgrades der eigenen Luftschifftafel. Dieser Ausbau ist mit Kristallkosten verbunden. Last not least kann der Spieler auch Gold nehmen oder eine Expedition durchführen, die wiederum Kristalle gemäß dem Aufwandfeld kostet. Für alle Aktionen erhält der Spieler zusätzlich verschiedene Boni, wenn er Kristalle der entsprechenden Farbe in seinen Generatoren liegen hat. Beim Setzen der Luftschiffe ist des Weiteren zu beachten, dass die Luftschiffe in der Regel nur zeitlich aufsteigend eingesetzt werden dürfen. Manche Aktionen bewegen das Zeitportal auf der eigenen Luftschifftafel. Sobald der Marker das Zeitportal einmal umrundet hat, steht dem Spieler eine Bonusaktion zur Verfügung, die sogar gegen den Zeitstrom eingesetzt werden kann.

Sobald alle Spieler ihre Luftschiffe eingesetzt haben, endet die Aktionsphase und die Nachschubphase wird abgehandelt. Hierbei erhalten die Spieler ihre zuvor eingesetzten Luftschiffe zurück und die Materialien wie Kristalle oder Aufträge werden ausgetauscht. Das Spiel endet nach der fünften Runde. Nun werden noch die Aufträge ausgewertet und zu den bereits erspielten Ansehenspunkten addiert. Der Spieler mit den meisten Punkten hat dann gewonnen.
Hinweis: erfahrene Spieler können Steam Time auch mit den beiliegenden Modulen „Sabotage“ und/oder „Spezialisten“ spielen, die das Spielprinzip aber nur unwesentlich verändern.

Meinung:

Steam Time ist ein Brettspiel im Steampunk-Design. Da dieser Begriff möglicherweise nicht jedem Spieler bekannt ist, wird zunächst die Begrifflichkeit in einem Satz erklärt. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich dabei um futuristische Technologien in Verbindung mit viktorianischen Errungenschaften (hier: mit Dampf angetriebene Zukunftsluftschiffe). Für Steampunk ist Steam Time ein bisschen zu bunt ausgefallen. Allerdings ist das Spiel hinsichtlich seiner Übersichtlichkeit sehr zu loben. Am Anfang sind unerfahrene Spieler von der Vielfalt der Möglichkeiten möglicherweise etwas „erschlagen“, doch bereits nach dem zweiten Durchlesen der hervorragend geschriebenen Anleitung klären sich sämtliche Unklarheiten auf. Ideal wäre natürlich die Spielerklärung durch einen gestandenen Steam Time Experten, der das Spiel mit all seinen Facetten erläutert.

Der Kosmos Verlag ist den meisten Spielern primär als Garant für ausgezeichnete und erfolgreiche Familienspiele bekannt. Catan, Ubongo und Andor sind vermutlich die bekanntesten Marken der Stuttgarter. Doch mit Nauticus und Helvetia hat Kosmos auch schon hervorragende anspruchsvollere Brettspiele für Kenner- und Vielspieler veröffentlicht. In diese Kerbe schlägt auch Steam Time. Das Spiel eignet sich in erster Linie für erfahrene Strategen und ambitionierte Gelegenheitsspieler. Kindern dürfte das Ganze vermutlich zu komplex sein, obwohl das Grundprinzip gar nicht mal so kompliziert ist. Aber das Spiel ist nun mal leicht verschachtelt und damit für „normale“ Spieler sicherlich keine leichte Kost. Vielspielern hingegen dürften die Mechanismen keine Probleme bereiten, zumal die meisten Spielelemente von anderen Spielen bekannt sein dürften (z.B. das Setzen „im Strom“ á la Egizia oder die Bonusaktion nach Umrunden des Zeitportals, die im weitesten Sinne ein kleines bisschen an die Machtaktionen von Terra Mystica erinnert).

Der Spielspaß ist gut bis sehr gut. Wer Freude am klassischen Workerplacement hat, kommt bei Steam Time voll auf seine Kosten. Allerdings sollte nicht verschwiegen werden, dass der allerletzte Funke nur mit Mühe überspringt. Woran liegt das? Um ganz ehrlich zu sein – keine Ahnung! Die Mechanismen funktionieren, die kleinen grauen Zellen haben Spaß am Ausbaldowern der optimalen Strategie und die verschiedenen Elemente wurden zu einem homogenen Gesamtwerk zusammengesetzt. Und das Spiel ist wohlgemerkt richtig gut! Vielleicht liegt es an der bunten Steampunk-Aufmachung, dass der allerletzte Kick fehlt. Nichtsdestotrotz ist Steam Time ein durchaus empfehlenswertes Spiel geworden, das von Vielspielern ruhig mal ausprobiert werden sollte.

Last not least noch ein Wort zu den Fortgeschrittenen-Modulen: Eingesetzte Saboteur-Chips verursachen lediglich Zusatzkosten, wenn ein Spieler die entsprechende Aktion ausführen möchte. Dieses Modul verändert das Grundprinzip so gut wie gar nicht. Interessanter ist hingegen das Spezialisten-Modul, in der ein Spieler vor dem Ausführen seiner Aktion ein oder zwei Spezialisten ausspielen kann, um sich durch die Sonderfähigkeit diverse Vorteile zu verschaffen. Eine grundlegende Modifizierung des Grundspiels findet jedoch auch damit nicht statt (und das ist auch gut so, denn das Basisspiel ist wie gesagt durchaus gelungen).

Fazit:

Nach Nauticus und Helvetia ist Steam Time eine weitere Vielspieler-Veröffentlichung aus dem Hause Kosmos. Das Spiel ist definitiv gelungen und macht großen Spaß. An die besten Spiele in diesem Genre kommt Steam Time aber nicht heran. Da es dennoch in der oberen Mittelklasse bis unteren Oberklasse angesiedelt ist, rechtfertigt diese Klassifizierung zweifellos eine Weiterempfehlung zum Antesten. Alles in allem gilt also auch hier: Daumen hoch.

Freitag, 6. November 2015

Mombasa



Verlag: Eggertspiele / Pegasus
Autor: Alexander Pfister
Spieleranzahl: 2 - 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 75 - 150 Minuten


Einleitung:

Mombasa ist im Zeitalter des Kolonialismus angesiedelt, das vom 15. Jahrhundert bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts andauerte. In Afrika erwerben die Spieler Anteile an vier Handelskompanien, die in unterschiedlichen Städten ansässig sind. Damit sich die Kompanien mit ihren Handelsposten ausbreiten können um den Wert ihrer Anteile zu steigern, müssen die Protagonisten Einfluss auf das Geschehen nehmen. Im Fokus des Spiels steht ein wirtschaftlicher Fokus, denn am Ende gewinnt der Spieler mit dem größten Vermögen.

Ablauf:

Zunächst wird der Spielplan in die Mitte platziert und alle Spielmaterialien bereitgelegt. Nach dem Aufbau der verschiedenen Auslagen erhält jeder Spieler ein eigenes Spielertableau, neun Start-Aktionskarten, ein Pfund sowie diverse Anteils-, Diamanten-, Tintenfass- und Bonusmarker. Weiterhin erhalten die Spieler eine „1er“-Ausbreitungskarte und ein individuelles Startplättchen, welches auf das Umschlagfeld des Spielertableaus platziert wird. Aus ihren Handkarten suchen sich die Spieler nun die drei Karten aus, die auf ihren Startplättchen angegeben sind. Diese Karten werden offen oberhalb des Spielertableaus an die farbigen Sammel-Slots gelegt. Ziel des Spiels ist der größtmögliche Verdienst in Pfund. Um dieses Ziel zu erreichen, durchlaufen die Spieler sieben Runden, die in je drei Phasen untergliedert sind.

In der Planungsphase wählen die Spieler drei Handkarten aus, die sie an die verfügbaren Aktions-Slots des Aktionsbereichs unterhalb des Spielertableaus legen. Im Laufe des Spiels können zwei weitere Slots frei geschaltet werden. Zu berücksichtigen ist, dass jeder Aktions-Slot mit dem Sammel-Slot verknüpft ist, der in gerader Linie über ihm an der oberen Kante des Spielertableaus liegt. Nachdem alle Spieler ihre Karten ausgewählt und ausgelegt haben, beginnt die allgemeine Aktionsphase.

In dieser Phase führen die Spieler reihum eine der folgenden Aktionen aus:

  • Nutze 1 oder mehrere Warenkarten einer Sorte im Aktionsbereich
  • Nutze alle Ausbreitungskarten im Aktionsbereich
  • Nutze 1 Buchhalter-Karte im Aktionsbereich
  • Nutze 1 Diamantenhändler-Karte im Aktionsbereich
  • Setze 1 Bonusmarker
  • Beende Deine Aktionsphase

Warenkarten werden genutzt, um eine Aktionskarte von der Kartenauslage zu kaufen. Solche Karten werden sukzessive mächtiger und können in den folgenden Runden eingesetzt werden. Alternativ können die Spieler ihre Marker auf den Kompanieleisten weiterrücken, um damit die Anteile dieser Kompanien zu erhöhen. Außerdem erhalten die Spieler an bestimmten Stellen der Leisten diverse Boni. Um eine Kompanie zu expandieren, müssen die Spieler alle Ausbreitungskarten im Aktionsbereich verwenden. Für die Regionen, die im Ausbreitungsprozess besiedelt werden, erhalten die Spieler unterschiedliche Belohnungen wie Buchhalterpunkte, Schritte auf der Diamantenleiste etc. Um den Buchhalter weiterzubewegen, müssen erworbene Bücher auf der Leiste liegen. Diese erhält man über eingetauschte Buchhalterpunkte, die wiederum als Boni/Belohnungen vergeben werden. Schritte auf der Diamantenleiste erhalten die Spieler durch Nutzung einer Diamantenhändler-Karte. Eingesetzte Bonusmarker erlauben dem Spieler das Nehmen einer Bonuskarte, die dann ohne Aktions-Slot in der nächsten Runde zusätzlich eingesetzt werden kann. Um eine solche Karte nehmen zu können, müssen jedoch die Kosten bezahlt werden. Wer keine Aktion mehr ausführen kann, beendet seine Aktionsphase. Sobald alle Spieler diese Phase beendet haben, folgt die Vorbereitungsphase für die nächste Runde. Hierbei werden lediglich die Karten ausgetauscht, die Bonusmarker inkl. eventueller Bonusplättchen zurückgegeben und die Bücherauslage mit Münzen angepasst.

Nach der allgemeinen Aktionsphase der siebten Runde endet das Spiel, und die Schlusswertung findet statt. Nun werden alle Positionen des Wertungsblocks Schritt für Schritt abgehandelt. Ermittelt werden das Bargeld, der Wert aller Kompanie-Anteile, der Fortschritt auf der Diamantenleiste und die Position auf der Buchhaltungsleiste. Der Spieler mit dem höchsten Gesamtbetrag hat dann gewonnen.

Meinung:

Vom Hause Eggertspiele wurde Mombasa mit vier Tatzen (=sehr anspruchsvoll) gekennzeichnet, und diese Charakterisierung trifft den Nagel auf den Kopf. Mombasa ist ein bockstarkes Strategie-Wirtschaftsspiel, das aufgrund seiner Komplexität ausschließlich für Kenner- und Vielspieler geeignet ist.

Die Anleitung umfasst zwar „nur“ zwölf Seiten, aber nach dem ersten Durchlesen müssen die meisten Spieler erstmal durchschnaufen und das studierte Regelwerk sacken lassen. Und dabei ist die Spielanleitung sogar ausgezeichnet geschrieben und sehr gut konzipiert. Die ersten beiden Seiten (2 und 3) beschreiben ausführlich die Spielvorbereitung, während die folgenden Erläuterungen den Spielablauf erklären, und die letzten beiden Seiten der Symbolik gewidmet sind. Das alles hört sich nun quantitativ nicht mal so kompliziert an, doch die Informationen und die Verzahnung der Mechanismen haben es wahrlich in sich. Selbstverständlich kann der oben beschriebene Ablaufblock nicht einmal ansatzweise alle Feinheiten des Spiels widerspiegeln. Dafür gibt es zu viele Details, daher musste die Ablaufbeschreibung logischerweise auf die Kernprinzipien heruntergebrochen werden.

Mombasa überzeugt durch unterschiedliche Spielelemente, die hervorragend zu einem homogenen Gesamtwerk assimiliert wurden. So erinnert die Verknüpfung einer gespielten Aktionskarte mit der darüberliegenden Reihe ein bisschen an Kashgar und hat generell einen Touch von Deckbuilding-Mechanismus, aber das war es auch schon mit den Ähnlichkeiten. In den ersten paar Partien könnten möglicherweise einige Spieler Probleme mit dem Gesamtüberblick haben, aber das ist völlig normal. Schließlich handelt es sich bei Mombasa wie gesagt um eine hochkomplexe Vielspieler-Veröffentlichung und nicht um ein leicht zugängliches Familienspiel. Wenn die Spieler aber erstmal zwei bis drei Partien hinter sich haben, sollten die anfänglichen Unsicherheiten ausgeräumt sein, und dann verläuft ein Spiel mit erfahrenen Strategen auf höchstem Niveau.

Wie bei vielen anspruchsvollen Spielen nimmt das Tempo bzw. die Wertigkeit der verfügbaren Aktionen im Verlauf einer Partie durchaus zu. Anfangs hatten viele Spieler den Eindruck, relativ wenig Gegenwert für ihre eingesetzten Münzen zu bekommen, doch dieser Anschein trügt. Auch Aktionskarten, die auf den ersten Blick nicht so wichtig erscheinen, haben ihren Sinn und dienen oftmals als Voraussetzung für die kommenden mächtigeren Karten / Aktionsoptionen. Und hinten sind die Schweine fett. Das gilt sowohl für Russian Railroads (Trans-Sib-Strategie) als auch für Mombasa. Dann können ordentlich Anteile erworben werden oder die Buchhaltungs- und Diamantenmarker kräftig vorgerückt werden. Aber um jetzt nicht falsch verstanden zu werden: auch zu Beginn geht es richtig zur Sache. Also keinesfalls den Anfang unterschätzen bzw. verschlafen, denn dann liegt man oft aussichtslos hinten und kann diesen Nachteil nicht mehr aufholen.

Sowohl der Spaßfaktor als auch der Wiederspielreiz von Mombasa sind immens hoch. Sobald die Mechanismen erstmal verinnerlicht wurden, offenbart sich eine Ausnahmeklasse, die Mombasa zu einem echten Alltime-Highlight für Vielspieler macht. Erfreulicherweise konnte bislang kein Königsweg entdeckt werden. Stattdessen bieten sich den Spielern viele unterschiedliche Strategien und Optionen an, die allesamt vielversprechend sind und zum Sieg führen können. Wer auf verzahnte Strategie-Taktik-Blockbuster abfährt, kommt an Mombasa nicht vorbei.

Fazit:

Mombasa ist definitiv eines der Vielspielerhighlights 2015. Das Spiel ist eigentlich der Traum eines jeden Kennerspielers, der generell Komplexität der Marke Vinhos und Konsorten schätzt und liebt. Wie hat früher mal die Erste Allgemeine Verunsicherung (EAV) gesungen: „Ist der Massa gut bei Kassa, fliegt First Class er nach Mombasa“. Heute heißt es: „Ist der Massa gut bei Kassa, kauft er sich sofort Mombasa“ ;-)

Sonntag, 1. November 2015

Die Legenden von Andor - Chada & Thorn



Verlag: Kosmos
Autor: Gerhard Hecht
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 45 Minuten


Einleitung:

Chada & Thorn ist eine Zwei-Personenspiel-Fortsetzung des beliebten Brettspiels Die Legenden von Andor. In diesem Kartenspiel brechen die Bogenschützin und der Krieger vom nördlichen Ende Silberlands zur Küste im Süden der Insel auf. Doch auf ihrer gefahrvollen Reise müssen die beiden Helden spannende Abenteuer bestehen, die sie vor immer neuen Herausforderungen stellen. Und da Die Legenden von Andor – Chada & Thorn ein kooperatives Spiel ist, können sie nur gemeinsam die sichere Zuflucht erreichen.

Ablauf:

Die Legenden von Andor – Chada & Thorn untergliedert sich in ein leichtes Losspiel-Abenteuer zum Kennenlernen der Basiselemente und anschließend in vier Szenarien. Grundsätzlich stehen den Spielern jeweils drei Heldenkarten einer Person zur Verfügung (also dreimal Chada und dreimal Thorn). Unter jede Heldenkarten wird eine Fluchkarte gelegt. In seinem Zug muss der aktive Spieler eine beliebige obere Karte von einer seiner Reihen verwenden. Anschließend wird diese Karte in der Regel an die letzte Stelle der Reihe zurückgelegt. Weitere ausliegende Utensilien sind Freundeskarten, Willenspunkte und drei Lagerfeuerplättchen. Hinzu kommt eine Fluchfigur, die den Gegner der beiden Helden darstellt.

Zunächst werden die Abenteuerkarten des jeweiligen Szenarios bereitgelegt. Jedes Abenteuer besteht aus einer Startkarte, diversen Etappenkarten und einer Zielkarte. Auf allen Karten sind Felder abgebildet, die miteinander verbunden sind. Das Überqueren der meisten Streckenfelder ist mit unterschiedlichen Unannehmlichkeiten verbunden, wenn die Helden diesen Weg beschreiten. Zumeist müssen Willenspunkte abgegeben werden oder die Fluchfigur wird weitergezogen.

Dem aktiven Spieler stehen drei Aktionsmöglichkeiten zur Verfügung, die allesamt auf den Heldenkarten abgebildet sind: Laufen, Kämpfen oder eine Sonderfähigkeit nutzen. Die Bewegungsmöglichkeiten sind links oben ersichtlich. Je weiter der Held laufen will, desto mehr wird von ihm verlangt (Willenspunkte abgeben, Fluchfigur weiterziehen, eine Nebelkarte nehmen, die oftmals negative Auswirkungen hat etc.). Kämpfen kann ein Held ausschließlich gegen benachbarte Monster oder gegen Kreaturen im Deck seines Partners, sofern dieser benachbart zu ihm auf dem Weg steht. Im Kampf entscheiden die Stärkepunkte im oberen rechten Bereich. Last not least kann der Spieler auch seine Sonderfähigkeit nutzen, die als Text im unteren zentralen Heldenkartenbereich vermerkt ist (z.B. Willenspunkte erhalten, ein Feld vorziehen usw.). Da früher oder später auch mal die Fluchkarten oben liegen, muss der Spieler eine negative Aktion ausführen, bevor er die Karte wieder ans Ende der Reihe zurückstecken kann.

Ziel des Spiels ist letztendlich das Erreichen der Zielfelder. Sollten Chada und Thorn beide ihre Zielfelder erreichen, haben die Spieler gemeinsam gewonnen. Sollte jedoch die Fluchfigur einen Helden einholen oder eine Nebelkarte nicht mehr genommen werden kann oder ein Spieler zu Beginn seines Zugs blockiert ist, dann ist das Abenteuer gescheitert und die Spieler haben gemeinsam verloren. Die Spieler verlieren ebenfalls, wenn ein Held sein Zielfeld erreicht hat, und der andere es in den vier folgenden Runden nicht ebenfalls schafft (als Rundenzähler dienen die Lagerfeuer).

Meinung:

Chada & Thorn könnten auch gut und gerne unter dem Banner „Die Legenden von Kashgar“ laufen, denn die Kernmechanismen sind 1:1 vom Kosmos-Kartenspiel Kashgar – Händler der Seidenstrasse übernommen worden. Da Gerhard Hecht jedoch der Autor beider Spiele ist, kann das sicherlich nachvollzogen werden. Und der Kashgar-Mechanismus wurde hervorragend in die Andor-Welt transformiert. Sowohl die Stimmung als auch die Spannung und das Flair von Andor bleiben ausnahmslos erhalten, und das ist selbstverständlich ein Riesenlob, denn jeder Andor-Fan schätzt und liebt das Charisma des „großen Bruders“. Insofern ist Gerhard Hecht der Spagat aus Andor-Feeling und Kashgar-Prinzip hervorragend gelungen, und solch ein Kunststück war sicherlich nicht einfach zu bewältigen.

Das Losspiel-Abenteuer beinhaltet lediglich die Laufen-Aktion, aber zum Kennenlernen des Spielsystems eignet sich dieses Mini-Szenario dennoch ausgezeichnet. Das Ganze sollte innerhalb einer viertel Stunde geschafft worden sein, und dann ist man auch schon fit und gerüstet für die „echten“ Szenarien. Diese sind logischerweise ungleich schwerer zu bewältigen als das Losspiel-Abenteuer. Im ersten Versuch scheiterte das Test-Duo im ersten Abenteuer Die Stachelklippen an einer einzigen fehlenden Aktion, aber mit steigender Erfahrung sind die Szenarien durchaus lösbar. Ein Selbstläufer ist aber kein einziges Abenteuer. Die Aktionen sollten schon überlegt aufeinander abgestimmt werden, und auch der Gesamtüberblick über alle Reihen darf nicht aus den Augen verloren werden.

Wichtig ist auf jeden Fall, dass die Helden möglichst immer zusammenbleiben. Denn auf benachbarten Feldern können sich die Spieler gegenseitig helfen, was in der Regel der Schlüssel zum Erfolg ist. Eine schöne Idee sind übrigens die Freundeskarten, die eine Partie vereinfachen oder erschweren können. Erfahrene Abenteurer, die bereits alle Szenarien geschafft haben, sollten einfach mal auf alle Freundeskarten verzichten, was das Spiel etwas schwerer und herausfordernder macht.

Kommen wir nun zur Aufmachung und Illustration des Spiels. Diesbezüglich gibt es erwartungsgemäß nichts zu bemängeln, da die Grafik wieder auf das Konto von Stardesigner Michael Menzel geht. Die Karten sind schlichtweg toll gezeichnet und erfreuen das Auge zu jedem Zeitpunkt. Allerdings ist Chada & Thorn natürlich nicht so episch-opulent wie das Brettspiel Die Legenden von Andor. Chada & Thorn ist schließlich ein „kleines“ Zwei-Personen-Kartenspiel, das mit dem großen Brettspiel sicherlich nicht konkurrieren kann. Dafür kostet es auch nur halb so viel, und demzufolge ist das Preis-Leistungsverhältnis stimmig und lobenswert.

Fazit:

Andor-Fans können sich freuen, denn Chada & Thorn ist eine sehr gute Zwei-Personen-Umsetzung geworden, die bedenkenlos weiterempfohlen werden kann. Trotz anderem Mechanismus wird das typische Andor-Feeling nicht tangiert, und auch die Optik ist logischerweise hundertprozentig Andor-like. Es ist übrigens nicht erforderlich, das Brettspiel Die Legenden von Andor zu kennen. Auch ohne Vorkenntnisse spielt sich Chada & Thorn flüssig und ist für Novizen ein toller Einstieg in das fantastische Andor-Universum.