Samstag, 18. Juli 2020

A Thief´s Fortune



Verlag: Artipia Games / Taverna Ludica Games
Autor: Konstantinos Kokkinis / Sotirios Tsantilas
Spieleranzahl: 1 – 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 45 – 90 Minuten


Einleitung:

In A Thief´s Fortune schlüpfen 1 – 4 Spieler in die Rolle eines Diebs, der in den königlichen Palast von Nabbarah einbricht. Neben dem Erbeuten von Gold, Smaragden und wertvollem Schmuck können die Spieler dort auch einen Blick in die eigene Zukunft werfen, doch die Gefahr von Wachen ist allgegenwärtig.

Ablauf:

Zunächst wird der Spielplan in die Mitte gelegt und mit allen benötigten Plättchen bzw. Ressourcen  bestückt (Säbel, Juwel, Lampe, Zeit, Gefahr). Jeder Spieler erhält zwei farblich passende Trenntafeln und legt sie übereinander vor sich hin. Dieser Bereich ist seine Gegenwart. Der (jetzt noch leere) Bereich rechts von der Gegenwart ist die Zukunft und der linke Bereich ist die Vergangenheit. Jeder Spieler erhält einen Start-Ort und einen Start-Charakter in die Gegenwart, außerdem bekommen die Spieler ihre entsprechenden Start-Ressourcen in den eigenen Vorrat. Orts-, Charakter- und Ereigniskarten werden gemischt und als verdeckte Nachziehstapel bereitgelegt. Von jeder Kartenart wird eine Karte mit ihren Ressourcen offen auf den Spielplan gelegt. Dies ist die gemeinsame Zukunft der Spieler.

A Thief´s Fortune verläuft über fünf Runden, die immer in verschiedene Phasen unterteilt sind. In der Planungsphase ziehen die Spieler fünf Karten von den Nachziehstapeln, behalten eine davon und geben zwei Karten an den Sitznachbarn weiter (Drafting). Die behaltene Karte wird mitsamt ihren Ressourcen in die Zukunft gelegt. Von den aktuellen Handkarten wird dann wieder eine ausgesucht und abgelegt usw. In der Beutephase nehmen sich die Spieler eine bestimmte Anzahl der Zukunftsressourcen und legen sie in den persönlichen Vorrat. Zukunftskarten ohne Ressourcen werden sofort in die Gegenwart verschoben. Die Gegenwart bietet Platz für vier Orte, vier Ereignisse und vier Charaktere. Kommen weitere Karten aus der Zukunft in die Gegenwart wird die älteste passende Karte in die Vergangenheit geschoben. Nun folgt die Aktionsphase, in der die Spieler reihum 1 – 2 Aktionen durchführen können. Jetzt können sie einen aktuellen Charakter bzw. ein Ereignis in der Gegenwart aktivieren und entsprechend abhandeln. Aktivierte Ereignisse kommen sofort in die Vergangenheit. Mit der Abgabe zweiter Zeitplättchen dürfen die Spieler eine beliebige Ressource aus ihrer Zukunft in den persönlichen Vorrat legen (ausgeschöpfte Karten ohne Ressourcen wandern wieder sofort in die Gegenwart). Das geht so lange, bis alle Spieler irgendwann gepasst haben. Einige Karten bzw. Aktionen bringen Wächter als Gefahrenplättchen auf die eigene Trenntafel. Vorhandene Wächter müssen in der abschließenden Bestechungsphase mit Basisressourcen bezahlt werden, sonst verliert der Spieler einen Schicksalspunkt (= Siegpunkt).

A Thief´s Fortune endet nach der fünften Runde mit der Schlusswertung, bei der die Protagonisten noch Schicksalspunkte für ihre Karten in der Vergangenheit sowie für verbliebene Ressourcen erhalten. Der Spieler mit den meisten Punkten hat dann gewonnen. Alternativ kann eine Partie auch ohne gemeinsame Zukunft gespielt werden, außerdem gibt es eine Solovariante, in der der Solospieler eine vorgegebene Aufgabe erfüllen muss, um seine Partie zu gewinnen.

Meinung:

Marty, Du musst lernen, vierdimensional zu denken“!

Mit Zurück in die Zukunft hat A Thief´s Fortune zwar nichts gemein, aber ich wollte schon immer mal Doc Brown zitieren :-)
Und einen gemeinsamen Nenner gibt es ja doch, und das ist in der Tat der Zeitpunkt von Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit.

A Thief´s Fortune ist eine kartengesteuerte Veröffentlichung, bei der die Reihenfolge der Aktionen äußerst wichtig ist. Denn wenn das Kartenlimit einer Sorte in der Gegenwart erreicht ist, schiebt die nächste entsprechende Karte aus der Zukunft die älteste aktive Gegenwartskarte in die Vergangenheit. Dann steht deren Funktion nicht mehr zur Verfügung. Also sollte ein gewitzter Spieler erstmal alle dringenden Optionen der Gegenwart nutzen, bevor er die Zeitlinie mit neuen Karten verändert. Das hört sich allerdings komplizierter an als es letztendlich ist. A Thief´s Fortune bietet den Spielern einen sehr überschaubaren Aktionsspielraum, und dieser ist relativ einfach im Auge zu behalten. Trotzdem hat der Mechanismus eine angenehme Tiefe. Das Spiel ist zwar kein „Hirnverzwirbler“, aber dennoch muss man gut aufpassen, was man zu welchem Zeitpunkt macht. Aufpassen muss man auch beim Draften der Karten, um den Konkurrenten nicht eine bärenstarke Kartenkombination auf dem Silberteller zu kredenzen. Denn genau das ist das A und O von A Thief´s Fortune: gute Kartenkombinationen.

Um möglichst viele Punkte zu generieren sind Kombis dringend zu empfehlen. Natürlich können die nicht unbegrenzt eingesetzt werden (weil ja irgendwann Karten in die Vergangenheit wandern), aber je öfter und effektiver eine „Engine“ eingesetzt wird, desto ertragreicher ist die Punkteausbeute. Das Erkennen dieser Möglichkeiten macht durchaus Spaß, und so ist dem Spiel auch definitiv ein positives Zeugnis auszustellen. Wer gerne mit Karten hantiert, kommt bei A Thief´s Fortune sicherlich auf seine Kosten.

Nichtsdestotrotz ist die Veröffentlichung „nur“ gut bis sehr gut. Die absolute Oberklasse erreicht A Thief´s Fortune aber nicht. Dafür fehlen dann doch weiterreichende Optionen und ein besonderer Kick. Das gilt insbesondere für die Solovariante. Diese funktioniert, aber in der Regel sind die Handlungsentscheidungen aufgrund der Siegbedingungen recht deutlich vorgegeben. Der Mehrspielermodus macht einfach mehr Spaß und punktet demzufolge wesentlich besser.

Fazit:

Alles in allem hat A Thief´s Fortune zweifellos eine Weiterempfehlung verdient. Sowohl Vielspieler als auch ambitionierte Gelegenheitsspieler haben mit der Veröffentlichung ihren Spaß und das Preis-Leistungsverhältnis ist absolut okay.

Donnerstag, 9. Juli 2020

Coloma



Verlag: Final Frontier Games / Taverna Ludica Games
Autor: Jonathan „Jonny Pac“ Cantin
Spieleranzahl: 1 – 6
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: 60 – 90 Minuten


Einleitung:

Die Entdeckung von Gold im Wasser des American Rivers löste im Jahr 1848 einen regelrechten Goldrausch aus. Dadurch wuchs die angrenzende Stadt Coloma in einem außergewöhnlichen Maße und lockte unzählige Menschen an. Im gleichnamigen Brettspiel schlüpfen die Spieler in die Rolle von Pionieren, die ihr Glück in Coloma finden wollen. Doch der Weg zum Erfolg ist steinig, und so müssen die Protagonisten mühselig Arbeiter rekrutieren, Gold schürfen, Pferde zusammentreiben Unternehmen aufbauen usw.

Ablauf:

Zunächst wird der Spielplan in die Mitte gelegt und mit allen benötigten Utensilien bestückt (Fässer, Gold, Banditen, Flussplättchen, Brückenplättchen). Jeder Spieler erhält ein eigenes Spielertableau. Die A-Seite ist bei allen Spielern identisch, während sich die Rückseite unterscheidet und eine asynchrone Partie für erfahrene Spieler einleitet. Jeder Pionier (=Spieler) erhält eine Drehscheibe, zwei Goldgräberfiguren, zwei Dollar, ein Zelt, ein Pferd und ein Gold. Weiterhin ziehen die Spieler sechs Karten von ihrem gemischten Kartendeck. Vier Karten dürfen sie auf der Hand behalten, die anderen beiden werden zum Nachziehstapel zurückgelegt.

Der Spielplan zeigt im zentralen Bereich ein Rondell mit fünf Ortschaften. Zu Beginn einer Runde stellen die Spieler geheim einen Ort ein, den sie besuchen möchten. Die Scheibe des Rondells wird weitergedreht und jeder Spieler erhält das aktuelle Einkommen bzw. kann den aktuellen Bonus nutzen. Befinden sich mehrere Spieler an einem Ort wandert die Sperre des inneren Rings zu diesem Bereich und verdeckt die zweite Aktionsmöglichkeit (Aufschwung-Sektion). Reihum führen die Spieler nun die Aktion(en) ihres Ortes aus. Haben sie bereits Gebäude mit gleicher Ortsnummer gebaut, erhalten sie auch den Bonus dieser Karten. Durch die Ortsaktionen können die Spieler beispielsweise neue Goldgräberfiguren erhalten, Gold bekommen, Karten nachziehen, Dollars erhalten, auf dem Reisebereich des Spielplans reisen, Zelte aufstellen, Flüsse und Brücken bauen oder Gold in Siegpunkte umtauschen.

Eine Runde endet mit dem Erreichen des fünften Orts auf dem Rondell. Nun wird überprüft, ob die Spieler genügend Figuren abgegeben haben um die Banditen zu besiegen, die mit jedem Nehmen eines Fasses ins Spiel kommen. Dafür erhalten die Spieler dann Punkte bzw. müssen Goldgräber sterben lassen. Danach beginnt das nächste Jahr. Coloma endet nach drei Jahren / Durchgängen mit der Schlusswertung, in der es noch Siegpunkte für errichtete Flüsse, Brücken und Zelte gibt. Der Spieler mit den meisten Punkten hat dann gewonnen. Optional kann das Spiel auch mit dem Hotel-Modul oder dem Modul Besondere Pioniere gespielt werden. Außerdem gibt es mit dem Duell der Esel eine 2-Spieler-Variante und einen Solo-Modus.

Meinung:

Mit der deutschen Lokalisierung von Coloma ist dem jungen Verlag TL Games ein echter Volltreffer gelungen. Das Spiel ist klasse, sieht gut aus und bietet jede Menge Langspielreiz. Natürlich wurden im Ablaufblock die Kernmechanismen nur grob angerissen und auf einige Details verzichtet, weil die meisten Leser lediglich einen ungefähren Überblick haben wollen. Wichtiger ist die subjektive Meinung zum Spiel, und diese ist durchweg positiv bzw. begeistert.

Fangen wir einfach mal mit der Zielklientel an. Coloma ist definitiv ein Kennerspiel und richtet sich demzufolge ganz klar an die Spezies der Vielspieler. Aber trotz vielseitiger Komplexität ist Coloma nicht kompliziert (das ist ein kleiner aber feiner Unterschied). Wenn man erstmal die Regeln und die Symbolik / Ikonografie verinnerlicht hat, verläuft eine Partie flüssig und absolut problemlos. Sowohl die Spielanleitung als auch die Grafik lassen keine Fragen offen, und so muss während einer Partie nicht dauernd irgendwas nachgeschlagen werden. Die spielerische Tiefe der Veröffentlichung ist äußerst angenehm. Der Spielspaß ist klasse, denn Coloma bietet so viele Möglichkeiten und in unseren Partien hat sich auch kein eindeutiger Königsweg herauskristallisiert, wenngleich einige Aktionen nahezu von jedem Spieler gemacht wurden (z.B. Flüsse bauen). Das Sammelsurium an Möglichkeiten fordert die kleinen grauen Zellen ohne den dazugehörigen Prozessor durchbrennen zu lassen. Und das macht Spaß. Sogar verdammt viel Spaß :-)

Auch die Materialqualität (und Quantität) ist erste Sahne. Die Haptik ist super und bietet ein ausgezeichnetes Preis-Leistungsverhältnis. Auch wenn Coloma in absoluten Zahlen relativ teuer ist, lohnt sich jeder Cent, und im Vergleich zu anderen Veröffentlichungen im gleichen Preissegment bekommt man hier richtig viel geboten.

Coloma sollte nach Möglichkeit mindestens mit drei Leuten gespielt werden. Vier bis sechs Spieler sind noch besser, auch wenn sich dadurch die Spieldauer und die Downtime erhöht. Aber je mehr Spieler, desto spannender ist die Frage, welche Aufschwung-Sektion aufgrund der Spielermehrzahl abgedeckt wird. Natürlich funktionieren auch die Zwei-Spieler-Variante und der abgeleitete Solo-Modus, aber den meisten Bock macht Coloma mit mehreren Spielern. Last not least sind auch die Hotel- und Besondere Pioniere Modi zu loben, die das Abwechslungsreichtum noch mehr erhöhen und den ohnehin schon großen Wiederspielreiz noch mehr steigern.

Fazit:

Da gibt es einfach nichts zu meckern. Coloma ist eine tolle Vielspieler-Veröffentlichung, die ohne Wenn und Aber weiterempfohlen werden kann. Glückwunsch an TL Games zu diesem großartigen Highlight. Weiter so!