Dienstag, 17. November 2015

Bretagne



Verlag: Placentia Games / Heidelberger Spieleverlag
Autor: Marco Pozzi
Spieleranzahl: 2 - 4
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: 90 – 120 Minuten


Einleitung:

Als Architekten im Frankreich des 19. Jahrhunderts bauen zwei bis vier Spieler diverse Leuchttürme in der Bretagne. Die Konstruktion der Leuchttürme erfolgt unter widrigen Wetterverhältnissen und unter Abgabe der benötigten Ressourcen. Außerdem sind sowohl Arbeiter als auch Ingenieure für den Bau der Türme erforderlich. Strategische Planungen und taktische Entscheidungen sind unerlässlich, um durch optimale Abläufe die Konkurrenz zu übertrumpfen.

Ablauf:

Zunächst wird der Spielplan in die Mitte gelegt und mit den benötigten Utensilien bestückt. Der Spielplan zeigt eine Karte der Bretagne, die in drei Gebiete aufgeteilt ist, in denen sich kleine Hafenstädte und Bauplätze für Leuchttürme befinden. Weiterhin gibt es vier große Städte, wo sich die Spieler Baumaterial besorgen können, sonstiges Material und Ausrüstung kaufen können und weitere Arbeiter sowie Ingenieure engagieren können. Die zu bauenden Leuchttürme unterscheiden sich in drei Kategorien: Himmel-Leuchtturm, Fegefeuer-Leuchtturm und Hölle-Leuchtturm. Die Kosten und Erträge dieser Leuchttürme hängen von der Kategorie ab.

Bretagne dauert maximal fünf Runden, die in verschiedene Phasen unterteilt sind. In der Rundenvorbereitungsphase wählen die Kontrahenten gemäß der Spielerreihenfolge einen Kahn aus, der einerseits Ingenieure und ggf. Münzen liefert und andererseits zum verschiffen von Ressourcen in der Folgephase dient. Nun erhalten die Spieler ihr Rundeneinkommen für ihre eingesetzten Arbeiter in den Häfen. Je nach Art des Hafens erhalten die Spieler Materialien, Arbeiter, Ausrüstungskarten, Ingenieure oder Siegpunkte. Anschließend  werden die Märkte in Brest und Quimper aufgefüllt. Während der Materialbeschaffung beladen die Spieler ihre Kähne mit den Ressourcen aus Quimper. Je Reihe im Kahn darf eine Ressourcensorte gewählt werden. Nachdem alle drei Reihen beladen wurden, beginnt die Aktionsphase. In dieser Phase können die Spieler Bauen, Handeln oder Passen.

Mittels der Bauaktion kauft der aktive Spieler ein Bauteil-Plättchen, indem er die angegebenen Materialien abgibt. Anschließend erhält er eine Belohnung, die von der Anzahl der abgegeben Substanzen abhängt. Nun legt er das Plättchen auf einen Leuchtturm und gibt die erforderlichen Baukosten ab. Pro abgegebenes Material platziert der Spieler einen Arbeiter auf das Bauteil. Diese Arbeiter kann er nach Belieben wieder für zwei Siegpunkte zurücknehmen oder für eine eventuelle Leuchtturmwertung stehen lassen.

In Brest oder Lorient kann ein Spieler auf den jeweiligen Märkten handeln. Dabei kann er sowohl kaufen als auch verkaufen (z.B. Materialien, Ingenieure, einen zusätzlichen Arbeiter Ausrüstungskarten). Sobald ein Spieler keine Aktion mehr ausführen kann oder will, muss er passen und legt seinen Marker auf die nächste freie Stelle der Spielerreihenfolgeleiste in Pontivy.

Nachdem alle Spieler gepasst haben, kommt es zur Leuchtturmwertung aller soeben gebauten Leuchttürme. Ein Leuchtturm gilt als errichtet, wenn alle Stockwerke mit Bauplättchen belegt sind. Für abgegebene Ausrüstungskarten erhalten die Spieler Siegpunkte. Pro ausgespielte Karte muss aber auch ein Arbeiter entfernt werden, der zum persönlichen Vorrat zurückkommt. Wer dann noch Arbeiter auf dem Leuchtturm übrig hat, darf anschließend einen Arbeiter für eine Münze auf ein Hafenfeld setzen (welches in den Folgerunden ein festes Einkommen liefert). Befinden sich dann immer noch Arbeiter auf dem Turm, erfolgt eine Mehrheitswertung. Der Spieler mit den meisten verbliebenen Arbeitern erhält die Mehrheitensiegpunkte.

Das Spiel endet spätestens nach der fünften Runde oder verfrüht in dem Moment, wo alle Leuchttürme gebaut worden sind. Nun werden noch Restsiegpunkte für die Positionen auf der Spielerreihenfolgeleiste, den Arbeitern in den Häfen und für je drei Münzen vergeben. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten hat dann gewonnen.


Meinung:

Wow … was für ein Volltreffer. Bretagne ist neu, ungewöhnlich und hat ein frisches Thema, das ansatzweise lediglich bei Titania gestreift wurde. Nach dem Öffnen der Schachtel schockt zunächst das dicke Regelwerk den erwartungsfreudigen Spieler, aber sogleich stellt sich heraus, dass das Heft multilingual ist und vier Sprachen umfasst. Die deutsche Regel besteht aus zehn Seiten, wobei das Cover eine ganze Seite einnimmt. Also stellt sich jetzt die Frage, ob ein Spiel mit gerade mal neun effektiven Regelseiten hochanspruchsvoll sein kann. Und um die Antwort sofort zu geben: Oh ja … das kann sein!

Bretagne ist definitiv ein Spiel für Kenner- und Vielspieler. Kinder und unerfahrene Familien dürften hier gnadenlos überfordert sein. Die Aktionsphase bietet den Spielern etliche Möglichkeiten, da die Anzahl der Aktionen eigentlich nicht limitiert ist. Erst wenn dem Spieler die Arbeiter bzw. Handlungsmöglichkeiten ausgehen ist er gezwungen zu passen. Demzufolge kann sich diese Phase durchaus hinziehen, aber dennoch ist die Downtime erträglich und die Spannung bleibt permanent erhalten. Downtime bedeutet übrigens die „Leerzeit“, bis man selbst wieder am Zug ist.

Als aktiver Spieler darf man in Brest und Lorient sämtliche Aktionen in beliebiger Reihenfolge durchführen, aber jede Aktion nur einmal. Um ein optimales Ergebnis zu erzielen ist also eine gut geplante Abfolge der Handelsoptionen essentiell, da das Ergebnis in der Regel auch als Vorbereitung für weitere Aktionen dient. Bretagne ist im Gegensatz zu vielen anderen Veröffentlichungen kein Mangelspiel im eigentlichen Sinn. Lediglich die Anzahl der Arbeiter und das liebe Geld lassen immer zu wünschen übrig, weswegen sich ein frühzeitiges Engagement von weiteren Arbeitern lohnt. Doch eine zusätzliche Arbeiterrekrutierung ist teuer, und Geld muss erstmal verdient werden. Aus diesem Grund haben einige Spieler nach Möglichkeit auch gerne den vierten Kahn gewählt, denn dieser bringt dem Spieler neben zwei Ingenieuren auch zwei Münzen. Doch dafür ist man halt immer als Letzter an der Reihe – sowohl bei der Auswahl der Baumaterialien als auch bei den Aktionen. Die Verzahnungen und die Balance von Bretagne sind schlichtweg vorbildlich und genial. Jede Position und jede Entscheidung hat Vor- und Nachteile, und die Abwägung dieser Faktoren bringt den Prozessor im Gehirn ganz schön zum glühen.

Die nächste schwierige Entscheidung stellt sich nach dem Bau eines Leuchtturms. Soll ich meine Arbeiter für zwei lausige Siegpunkte zurücknehmen um weitere Aktionen durchführen zu können, oder soll ich die Arbeiter für die Wertungsphase stehen lassen? Zumeist lohnt sich das Stehenlassen, doch der worst case tritt ein, wenn der Leuchtturm nicht fertig gestellt wird und im Bau bleibt. Dann müssen die Arbeiter nämlich stehengelassen werden und stehen dem Spieler in der nächsten Runde nicht zur Verfügung. In diesem Zusammenhang kann es auch vorkommen, dass ein Mitspieler im Regen stehen gelassen wird, indem die Konkurrenten einfach nicht an diesem Leuchtturm weiterbauen. Ein solches Verhalten führt mit hundertprozentiger Sicherheit zu größter Verärgerung und dem Bedürfnis nach Rache ;-)

Sowohl der Spielspaß als auch der Wiederspielreiz von Bretagne sind gigantisch hoch. Kenner- und Vielspieler schätzen und lieben die vielfachen Handlungsoptionen, bei denen sich übrigens kein Königsweg herauskristallisiert hat. Und aufgrund der vielen aber trotzdem überschaubaren Möglichkeiten bleibt die Motivation zur Strategieoptimierung ungebrochen hoch. Bretagne hat sich somit als absolut empfehlenswertes Brettspiel mit Anspruch herausgestellt, an dem es spielerisch nichts groß zu kritisieren gibt. Redaktionell hätte die Spielregel jedoch besser ausfallen können, außerdem gibt es viel zu wenig 1er Münzen. Last not least verwirrt ein Übersetzungsfehler auf der letzten Seite, denn 1 Siegpunkt gibt es für den dritten und nicht für den ersten Platz.

Fazit:

Bretagne ist mit Sicherheit ein echter Insider-Tipp, den alle Vielspieler unbedingt näher unter die Lupe nehmen sollten. Das Spiel hat Tiefe, ist abwechslungsreich und spannend und besitzt eine tolle Wiederspielattraktivität. Außerdem sind die Mechanismen überwiegend neu und originell, so dass Bretagne extrem eigenständig ist. Top! Einfach ein geiles Spiel.

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