Montag, 23. November 2020

Puerto Rico (dritte Auflage, 2020)

 

Verlag: Alea / Ravensburger

Autor: Andreas Seyfarth

Spieleranzahl: 2 - 5

Alter: ab 12 Jahren

Spieldauer: 90 bis 150 Minuten

 

 

Einleitung:

 

Als Kult-Klassiker der Neuzeit geht Puerto Rico von Andreas Seyfarth nun in die dritte Runde. Eigentlich sogar in die vierte Runde, wenn man die limitierte Jubiläumsedition mitrechnet. Die neueste Ausgabe dieses Strategiespiels beinhaltet neben modifizierten Illustrationen die neuen Erweiterungen „Freibeuter“ und „Festival“. Die Erweiterungen „Neue Gebäude“ und „Die Adeligen“ aus der letzen Ausgabe sind ebenfalls enthalten.

 

Ablauf:

 

Im nächsten Absatz dieses Blocks wird zunächst der allgemeine Ablauf des Grundspiels beschrieben, um Neueinsteigern die Kernmechanismen zu erläutern. Anschließend wird auf die Neuerungen der 2020er Ausgabe eingegangen.

 

Zunächst wird der Ablageplan in die Mitte gelegt und mit den entsprechenden Gebäudeplättchen bestückt. Anschließend erhält jeder Spieler einen Spielplan, etwas Geld als Startkapital sowie ein Plantagenplättchen, das er offen auf ein beliebiges der zwölf Anbaufelder seiner Insel legt. Die restlichen Spielmaterialien werden rund um den Ablageplan bereitgelegt. Puerto Rico verläuft über mehrere Runden. Pro Durchgang wählt jeder Spieler eine der sieben verschiedenen Rollen aus und setzt damit eine bestimmte Aktion für alle Spieler in Gang. Der aktive Spieler erhält ein besonderes Privileg für die Rolle, die er ausgewählt hat. Nachdem eine Rolle ausgewählt wurde führen die Spieler reihum deren Aktion aus (beginnend mit dem Startspieler und dessen Privileg). Die Rolle des Siedlers erlaubt das Nehmen und Auslegen eines Plantageplättchens auf den eigenen Spielplan. Der Vorarbeiter bringt neue Arbeiter ins Spiel und der Baumeister erlaubt die Errichtung neuer Gebäude (wenn der Spieler die Kosten bezahlen kann). Der Aufseher produziert Waren, sofern die Spieler eine Plantage und die dazugehörige Fabrik besitzen und beide Komponenten mit Arbeitern besetzt sind. Der Händler ermöglicht den Verkauf von Waren, während der Kapitän vorhandene Waren zwingend verschifft. Für die Verschiffung erhalten die Beteiligten Spieler Siegpunkte. Der Goldsucher löst als einzige Rolle keine allgemeingültige Aktion aus. Stattdessen erhält der entsprechende Spieler eine Dublone von der Bank. Für die Produktion und die Verschiffung von Waren gelten bestimmte Einschränkungen bzw. Voraussetzungen. Nur  wer diese Voraussetzungen erfüllt, kann die Aktion ausführen. Diverse Gebäude beinhalten verschiedene Vorteile (z.B. Verringerung der Baukosten) sofern sie mit einem Arbeiter belegt sind. Das Spiel endet, wenn das Kontingent an Arbeitern ausgeschöpft ist, keine Siegpunktchips mehr zur Verfügung stehen oder ein Spieler seinen zwölften Bauplatz belegt hat. Dann erfolgt die Schlusswertung, bei der die gebauten Gebäude Siegpunkte wert sind. Gewisse große Gebäude bringen dem Besitzer außerdem noch Bonussiegpunkte ein. Nun werden alle erhaltenen Siegpunkte addiert und der Spieler mit den meisten Punkten hat dann gewonnen.

 

Kommen wir nun zu den Erweiterungen der neuen Ausgabe. Der Freibeuter ist eine neue Rolle im Rahmen der gleichnamigen Erweiterung. Diese Rolle erlaubt eine von vier Aktionen, die nur für den Rollenbesitzer gilt.

 

  • Piraterie: Waren von einem Schiff entfernen und davon drei Waren einlagern oder
  • Plünderung: Waren aus dem Handelshaus entfernen und pro entfernter Ware einen Siegpunkt bekommen oder
  • Überfall: Arbeiter (ehemals Kolonisten) auf die Mindestanzahl reduzieren und drei entfernte Arbeiter auf der eigenen Insel einsetzen oder
  • Entführung: eine noch nicht genommene Rolle inkl. evtl. Dublonen nehmen und am Durchgangsende nutzen. Wird die Rolle von einem Mitspieler genommen bekommt der Freibeuter drei Dublonen als Lösegeld

 

In der Festival Erweiterung werden Aufgaben auf die entsprechende Tafel gelegt. Wer als Erster eine Aufgabe erfüllt, erhält eine Belohnung. Beispiel: wer als erster Spieler drei Plantagen der geforderten Art auf seiner Insel hat, erhält zur Belohnung drei Arbeiter vom Vorrat.

 

Meinung:

 

Oldie but Goldi :-)

Selbst nach fast 20 Jahren hat Puerto Rico nichts von seiner Klasse eingebüßt. Diese Veröffentlichung hat einfach einen zeitlosen Charme, der nicht vom Zahn der Zeit angenagt wurde. Machen wir es doch einfach wie im Ablaufblock und verlieren erstmal ein paar Worte zum Grundmechanismus, bevor wir auf die Neuerungen der aktuellen Ausgabe eingehen.

 

Ein Kernelement des Spiels ist die Verzahnung und gegenseitige Bedingung der einzelnen Komponenten. So ist beispielsweise eine Plantage wertlos, solange man kein dazugehöriges Verarbeitungsgebäude besitzt. Und dann müssen beide Gebäude (Plantage und Fabrik) mit Arbeitern besetzt sein, um sie für die Aufseheraktion nutzen zu können. Günstige Waren wie Indigo sind relativ billig zu bekommen, aber dafür bringen sie wenig Geld beim Verkauf sein. Und Geld ist wichtig. Sogar essentiell wichtig, denn nur mit viel Kohle lassen sich die lukrativen Gebäude errichten. Insofern kommt den beiden Markthallen eine besondere Bedeutung zu, denn mit diesen aktivierten Gebäuden erhält ein Spieler beim Warenverkauf über den Händler einen höheren Ertrag. Und wenn wir schon beim Verkauf und Ertrag sind: Dafür lohnt sich auch „Klotzen statt Kleckern“. Also lieber über mehrere Runden Geld ansparen, um sich eine Kaffee- oder Tabakfabrik leisten zu können, denn diese Waren bringen wesentlich mehr Geld beim Verkauf als ein lausiges Indigo. Andererseits darf ein Spieler nicht nur auf hochwertige Waren setzen, da dann ein Scheitern vorprogrammiert ist. Der Kapitän zwingt die Spieler nämlich zur Warenverschiffung, und bei dieser Aktion ist jede Ware gleich viel Siegpunkte wert (ein billiges Mais bringt also genauso viele Punkte wie ein hochwertiger Kaffee). Wer also eine gut geplante Balance aus edlen und günstigen Waren in Verbindung mit passenden Gebäuden hinbekommt, hat gute Chancen, das Spiel zu gewinnen.

 

Nachdem bereits die Erweiterungen „Neue Gebäude“ und „Die Adeligen“ mit der vorherigen Ausgabe frischen Wind ins Spiel gebracht haben, setzen die neuen Erweiterungen „Freibeuter“ und „Festival“ diese Frischzellenkur fort. Vor allem der Freibeuter bietet den Spielern flexible Möglichkeiten und wird daher besonders gerne genommen. Die volle Stärke entfaltet diese Rolle natürlich nur mit den passenden Rahmenbedingungen, z.B. ein fast volles Schiff bzw. ein fast volles Handelshaus oder eine hohe Anzahl an Arbeitern auf der Anwerbestelle. Aber auch das Lösegeld sollte nicht unterschätzt werden. Drei Dublonen sind relativ viel Geld, und schließlich profitiert man auch noch von der genommenen Rolle, wenn der Mitstreiter sie aktiviert. Im Vergleich zu dieser gelungenen Erweiterung wirkt das Festival eher unspektakulär. Die Belohnungen sind zwar ganz nett, aber da sie nur einmal vergeben werden sind sie lediglich ein schöner Nebeneffekt. Mit Biegen und Brechen darauf spielen macht jedoch keinen Sinn.

 

Außer den beiden Erweiterungen haben sich nur Nuancen geändert, z.B. die Illustration und kleinere Begriffsmodifikationen („Arbeiter“ anstatt „Kolonisten“, „Vorarbeiter“ anstatt „Bürgermeister“ und witzigerweise wurde bei der Komplexitätseinstufung das Gehirnsymbol durch eine Glühlampe ersetzt). Das Cover wurde radikal verändert und wirkt jetzt wertiger und moderner als die alten Schachteln. Ansonsten wurde nichts geändert, und das ist auch gut so, denn Puerto Rico ist nach wie vor ein verdammt gutes Spiel, das selbstverständlich eine bedenkenlose Weiterempfehlung verdient.

 

Fazit:

 

Ob die Besitzer der alten Ausgabe(n) unbedingt die neue Edition benötigen ist fraglich. Das muss jeder für sich beurteilen. Wer jedoch Puerto Rico neu kauft, sollte unbedingt zur neuesten Ausgabe greifen. Die beinhaltet alle Erweiterungen, sieht schick aus und hat ein hervorragendes Preis-Leistungsverhältnis. Top!

 

Sonntag, 1. November 2020

Anno 1800 - Das Brettspiel

 

Verlag: Kosmos

Autor: Martin Wallace

Spieleranzahl: 2 – 4

Alter: ab 12 Jahren

Spieldauer: 120 Minuten

 

 

Einleitung:

 

Anno 1800 thematisiert die Industrialisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts. In diesem Strategiespiel aus der Feder von Martin Wallace beginnen die Spieler mit einer kleinen Insel und wenigen Start-Bewohnern sowie einigen kargen Start-Gebäuden. Im Laufe der Partie wächst die Bevölkerung der Protagonisten, ebenso wie die An- und Vielzahl ihrer Technologien. Wer baut sich das lukrativste Imperium auf, um über seine ausgespielten Bevölkerungskarten das Spiel zu gewinnen?

 

Ablauf:

 

Zunächst wird der Spielplan in die Mitte gelegt und mit allen Bauplättchen sowie den Bevölkerungs- und Expeditionskarten bestückt. Jeder Spieler erhält eine Heimatinsel (Tableau) und 4 Bauern, 3 Arbeiter und 2 Handwerker. Diese Personenmarker werden durch farbige Holzklötzchen im entsprechenden Stadtviertel der Tableaus dargestellt. Alle weiteren benötigten Utensilien (z.B. Auftragskarten) werden neben dem Spielplan bereitgelegt.

 

Im eigenen Zug führen die Spieler reihum eine Aktion aus, danach ist der Sitznachbar an der Reihe. Mit der Aktion Ausbauen bereichern die Spieler ihre Inseln durch neue Industrien oder Werften oder Schiffen. Dazu setzen sie ihre Meeples auf die verlangten Ressourcen / Gebäude und produzieren somit ein Gut, welches das neue Gebäude erfordert. Produzierte Güter müssen im gleichen Zug verbraucht werden und können nicht gelagert werden. Die Spieler dürfen Technologien der Konkurrenten benutzen. Dafür müssen sie ihre Handelsplättchen verwenden, die auf ihren Schiffen liegen. Der Mitstreiter darf den Tausch nicht verweigern. Dafür erhält er Gold vom Vorrat. Mittels gebauter Gebäude / Technologien können Bevölkerungskarten (von der Hand) ausgespielt werden. Dafür erhalten die Spieler einen einmaligen Bonus (z.B. Gold oder Handelsplättchen, die ggf. auf der Karte gelagert werden). Außerdem ist jede ausgespielte Karte am Schluss Siegpunkte wert. Weitere Aktionsmöglichkeiten sind der Austausch von Handkarten, die Erweiterung der eigenen Insel, die Verbesserung von Arbeitskräften und die Erhöhung der Arbeitskraft. Um die Anzahl der eigenen Arbeitskräfte zu erhöhen, müssen jedoch entsprechende Kosten bezahlt werden, was wiederum das Vorhandensein und die Verwendung bisheriger Arbeitskräfte und Industrien voraussetzt. Vereinfacht ausgedrückt: durch den Einsatz von Arbeitern auf den entsprechenden Gebäuden werden neue Meeples rekrutiert. Für jeden neuen Meeple muss der Spieler jedoch eine neue Bevölkerungskarte ziehen und auf die Hand nehmen.

 

Die Erweiterung der eigenen Insel kann auf zwei Arten erfolgen. Zum einen kann ein Spieler neue Inselplättchen anlegen, damit er zusätzliche Bauplätze zur Verfügung hat. Oder er erforscht die Neue Welt und legt ein entsprechendes Plättchen mit vorgedruckten Gebäuden an seine Insel an. Für solche Inselplättchen muss er drei Neue-Welt-Karten ziehen und auf die Hand nehmen. Neue-Welt-Ressourcen können von Mitspielern nicht erhandelt werden. Der Ausbau der eigenen Insel kostet Erkundungsplättchen. Diese Plättchen werden auch für das Ziehen von Expeditionskarten benötigt, die am Schluss bei entsprechender Erfüllung weitere Siegpunkte generieren. Mit Gold können eingesetzte Arbeiter zurückgenommen werden und das besetzte Gebäude steht dann wieder zur Benutzung zur Verfügung. Alternativ kann der Spieler ein Stadtfest feiern und alle bisher eingesetzten Meeples und Marker auf einmal zurücknehmen (quasi einen Reset durchführen und dafür einmal nichts tun).

 

Das Spielende wird eingeläutet, sobald ein Spieler alle seine Handkarten ausgespielt hat. Dafür erhält er das Feuerwerksplättchen, das 7 Siegpunkte wert ist. Es folgt eine letzte Runde und anschließend findet die Schlusswertung statt, bei der die Protagonisten Siegpunkte für ihre ausgespielten Karten, erfüllten Aufträge und gewertete Expeditionen erhalten. Der Spieler mit den meisten Punkten hat dann gewonnen.

 

Hinweis: in der Anleitung hat sich ein kleiner Fehler auf Seite 6 eingeschlichen (2. Spalte, erster Absatz). Da die Alternativen der Start-Industrien nicht identisch sind, dürfen jeweils beide gebaut werden. Diese Berichtigung wurde dankenswerterweise von Kosmos kommuniziert und kann im Internet nachgelesen werden.

 

Meinung:

 

Neben etlichen guten Familienspielen hat der Kosmos Verlag auch schon einige Male den Sprung in anspruchsvollere Gefilde gewagt und der Klientel der Vielspieler hervorragende Veröffentlichungen kredenzt. Vor allem Helvetia, Die Tore der Welt und Nauticus kommen in unseren Spielerrunden noch gerne auf den Tisch.

 

Anno 1800 besitzt ein ähnliches Niveau. Vermutlich ist das Spiel sogar noch einen Tacken komplexer. Und um nicht groß um den heißen Brei herumzureden – auch diese VÖ hat allen Spielern sehr gut gefallen. Durchweg alle Brettspielfreunde hatten Spaß an Anno 1800, aber es ist interessant zu sehen, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen und spielerischen Ausprägungen waren. Fast jeder Protagonist geht erstmal ans Bauen und an die Erhöhung der Arbeitskraft. Ich selbst war anfangs keine Ausnahme, aber schon sehr bald bin ich ein bisschen umgeschwenkt und bin verstärkt auf Schiffe gegangen. Und ehrlich gesagt bin ich damit verdammt gut gefahren. Zwei Mitspieler haben mühevoll wichtige Technologien errichtet, und ich konnte diese quasi als „Schnorrer“ mitnutzen. Klar … das kostet Handelsplättchen, aber die sind dafür gut angelegt. Die „Entlohnung“ des Mitspielers in Höhe von einem Gold ist meiner Meinung nach relativ mickrig. Mein Vorteil war neben der „Schnorrerei“ auch die Tatsache, dass ich relativ zügig Handkarten ausspielen konnte und das Spiel bewusst kurz gehalten habe. Ausgespielte Karten bringen Punkte – errichtete Technologien aber nicht. Das hat nicht jedem Mitstreiter gefallen, grins ;-)

 

Ähnlich wie bei Le Havre wird die Auslage auf dem Tisch zunehmend unübersichtlicher. Logisch. Je mehr Gebäude / Technologien, desto mehr Auswahloptionen, desto länger und genauer muss man hinschauen und die Möglichkeiten abwägen. Anno 1800 ist ein Spiel, bei dem Produktionsketten gefragt sind. Wer generell solche Mechanismen mag, kommt bei Anno 1800 voll auf seine Kosten. Freunden von Neom, Le Havre und Helvetia kann das Spiel somit bedenkenlos als Herz gelegt werden (auch wenn sich die Mechanismen ansonsten unterscheiden).

 

Neben einer Vorliebe für Produktionsketten-Mechanismen brauchen die Spieler noch etwas, und das ist Platz. In Vollbesetzung braucht eine Gruppe einen richtig großen Tisch um alle Tableaus und Auslagen unterzubringen. Paradoxerweise ist der Hauptspielplan gar nicht mal so wichtig, weil jeder Spieler eine Spielerübersicht hat, die exakt die Technologien des Spielplans widerspiegelt. Insofern kann der Hauptspielplan bei Platzproblemen auf einen separaten Nebentisch geparkt werden. Neue Karten oder Gebäudeplättchen können von dort geholt werden (die Kartenstapel sind ja verdeckt).

 

Ob der von mir bevorzugte Weg über die Handelplättchen ein echter Königsweg ist, kann ich nicht sagen. Dazu wurden Corona-bedingt zu wenige Partien gespielt. Fakt ist aber, dass jeder Spieler – unabhängig von seiner Spielweise – verdammt viel Spaß an Anno 1800 hatte, und das ist schließlich das Wichtigste.

 

Fazit:

 

Unter dem Strich ist Anno 1800 also ein prima Strategiespiel, an dem Vielspieler und auch ambitionierte Gelegenheitsspieler ihre helle Freude haben. Ergo gibt es nicht viel zu überlegen und der Daumen ragt bei der Bewertung steil nach oben :-)