Freitag, 25. November 2016

First Class



Verlag: Hans im Glück
Autor: Helmut Ohley
Spieleranzahl: 2 - 4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 20 Minuten pro Spieler


Einleitung:

In First Class repräsentieren die Spieler ehrgeizige Eisenbahn-Firmengründer, die möglichst komfortable Waggons bauen um viele Passagiere für die Fahrt nach Konstantinopel zu gewinnen. Doch viele Wege führen zum Sieg. Sei es ein gut ausgebautes Streckennetz oder eine luxuriöse Ausstattung der Züge. Und dann gibt es auch noch jede Menge Aufträge und Spielendekarten zu ergattern, die ebenfalls viele Punkte abwerfen können. Wer wird mit den meisten Siegpunkten der würdige Nachfolger von Georges Nagelmackers, der als Initiator des Orient-Express zu Weltruhm gelangte?

Ablauf:

Da First Class aus mehreren Modulen besteht, einigen sich die Spieler zunächst auf die zwei Bausteine, die sie in der folgenden Partie verwenden wollen. Nun folgt der Aufbau der Spielutensilien. Die Aktionskarten werden in drei separate Stapel unterteilt und mit dem Geld und den Waggonkarten bereitgelegt. Vom ersten Aktionskarten-Stapel werden 18 Karten in drei Reihen á sechs Stück offen ausgelegt. Jeder Spieler erhält ein Spielertableau, eine Münze, drei Schaffner, eine Lokomotive, sechs Quader, vier Postwaggonkarten und zwei 0er-Waggons. Außerdem sucht sich jeder Spieler eine Spielendekarte aus. Die Lok startet am rechten oberen Feld, die Waggon-Karten werden in zwei Reihen an das Tableau angelegt und zwei Schaffner stehen links neben den ersten Waggons. Der dritte Schaffner fungiert als Wertungsanzeiger auf der Wertungsleiste.

First Class verläuft über sechs Runden, in denen immer 18 Karten ausgelegt werden. Der aktive Spieler nimmt sich eine dieser Karten und führt die dort abgebildete Aktion aus. Danach ist der nächste Spieler an der Reihe. Die Aktionsmöglichkeiten auf den Aktionskarten sind vielfältiger Natur. Beispielsweise können neue 0er-Waggonkarten genommen und angelegt werden. Oder der Spieler nimmt eine Streckenkarte und legt sie an sein Tableau an. Oder der Spieler nimmt eine Karte, die seine Lok(s) oder seine Schaffner weiterbewegen. Weiterhin gibt es die Möglichkeit, einen Waggon aufzuwerten. Das Streckennetz von First Class beinhaltet Städte mit Siegpunkten und Orte, die bei jeder Wertung diverse Boni gewähren. Um eine Stadt bzw. einen Ort aktiv zu machen, muss die Lok jedoch darauf zum Stehen kommen oder über ihn hinweggezogen sein. Analog werden in den Wertungen nur Waggons berücksichtigt, die bereits von einem Schaffner kontrolliert wurden.

Aufträge sind in Voraussetzung und Bonus untergliedert. Wer einen Auftrag in seinem Spielzug erfüllt, erhält sofort den entsprechenden Bonus. Spielendekarten werden erst am Ende einer Partie ausgewertet und bringen nach einem bestimmten Multiplikationsprinzip weitere Siegpunkte ein. Anstatt eine Karte zu nehmen, kann der aktive Spieler auch das Startspielerplättchen nehmen. Dafür erhalten er und sein dritter und vierter Nachbar einen Bonus. Nach dem Auslegen der fünften Waggonkarte in einer Reihe muss der Spieler eine seiner Postwaggonkarten anlegen. Auf die neunte Waggonkarte folgt das oberste Konstantinopelplättchen. Erreicht ein Schaffner dieses letzte Plättchen einer Reihe, erhält dessen Besitzer zusätzliche Sondersiegpunkte. Im Laufe einer Partie können die Spieler auch Münzen von ihren Tableaus abgeben, um zusätzliche Sonderaktionen zu bekommen (Strecken- bzw. Schaffnerbewegungen, einen 0er Waggon, eine Waggon-Aufwertung). Für vier Münzen darf ein Spieler auch eine weitere Speilendekarte erwerben.

Eine Runde ist zu Ende, wenn jeder Spieler dreimal an der Reihe war. Nach der zweiten, vierten und sechsten Runde erfolgt eine Wertung. Gewertet werden die kontrollierten Waggons und die bereits absolvierte Strecke. Dafür erhalten die Spieler Siegpunkte, bzw. Boni. Nach der dritten Wertung endet das Spiel mit der Schlusswertung, in der die Spielendekarten ausgewertet werden. Außerdem ist jede verbliebene Münze auf dem Tableau einen Siegpunkt wert. Der Spieler mit den meisten Punkten hat dann gewonnen.

Meinung:

Spätestens seit Russian Railroads dürfte der Name Helmut Ohley jedem Vielspieler bestens bekannt sein, denn dieses Meisterwerk begeistert nach wie vor jeden Freund von anspruchsvollen Strategiespielen auf ganzer Linie.

Mit First Class bleibt Ohley seinem bevorzugten Eisenbahn-Thema treu, und in der Tat sind auch durchaus einige Anleihen an Russian Railroads nicht von der Hand zu weisen. Vereinzelt wurden sogar Stimmen laut, denen zufolge First Class ein Russian Railroads Kartenspiel sei, aber das ist definitiv dummes Geschwätz. First Class ist durchaus ein eigenständiges Spiel, dessen Mechanismen lediglich von Russian Railroads und Marco Polo inspiriert wurden. Und da diese beiden Vorbilder bekanntermaßen erstklassige Vertreter ihres Fachs sind, verwundert es nicht, dass auch First Class ein echter Überflieger und absoluter Volltreffer geworden ist.

Die Kartenauslagen sorgen in der Regel für die Qual der Wahl beim Aussuchen einer Aktionskarte. Denn meistens liegen zumindest drei bis fünf Top-Karten aus, so dass beim ersten Nehmen jeder Spieler eine Spitzenkarte ergattern kann. Anders sieht es allerdings bei der zweiten oder spätestens der dritten Auswahl aus. Im schlimmsten Fall befinden sich dann nur noch schwächere Karten in der Auslage, so dass sich das Nehmen der Startspielerkarte lohnt, zumal diese ja zwei Münzen einbringt. Ist die Auslage auch für die folgenden Mitstreiter uninteressant, können diese schließlich irgendeine Karte zur Aufwertung eines Waggons verwenden. Und solche Aufwertungen lohnen ich auf jeden Fall. Zumindest ein 12er-Waggon sollte jeder Spieler am Schluss besitzen … besser sind natürlich noch mehr. Und besitzt man solch einen Luxuswaggon, sollte dieser selbstverständlich mit einer Personenkarte verdoppelt werden.

Aber Waggons sind nicht alles. Auch die Strecke der Spieler sollte unbedingt gut ausgebaut sein, denn sowohl  die einmaligen Siegpunkte als auch die regelmäßigen Boni bei den Wertungen sind immens wichtige Faktoren, um eine realistische Chance auf den Spielsieg zu wahren. Auch Geld ist von großer Wichtigkeit, und mit diesem sollten die Spieler auch nicht geizen. Ob 0er-Waggons oder Bewegungsschritte der Loks bzw. der Schaffner – jede Kleinigkeit hat seinen Sinn und bringt die Spieler vorwärts. Wer auf Waggons spielt sollte zumindest einen Zug komplett ausbauen und mit dem dazugehörigen Schaffner nach Konstantinopel ziehen. Das wiederum beinhaltet, dass der Spieler einige Schaffnerkarten besitzt, was wiederum Auswirkungen auf die Spielendekarten hat. Bei dieser Strategie lohnt sich definitiv der Kauf mehrerer Schaffner-Spielendekarten, aber jetzt genug der taktischen Tipps. Schließlich wollen die Spieler ja in Eigenregie möglichst sinnvolle Siegstrategien herausfinden, und von denen gibt es einige zu entdecken.

Der Spielspaß von First Class ist einfach gigantisch. Jeder Spieler, der Veröffentlichungen wie Russian Rauilroads oder Auf den Spuren von Marco Polo zu seinen Favoriten zählt, kann hier bedenkenlos zuschlagen. Durch die unterschiedlichen Module entfacht First Class außerdem einen Wiederspielreiz, wie man ihn nur selten antrifft. Jedes Modul führt den Spieler in eine bestimmte Richtung, aber auch mit einer konsequent durchgezogenen eigenen Strategie kann der vorgeschlagenen Taktik zuvor gekommen werden. Mit den beschriebenen Mechanismen in Verbindung mit dem modularen Aufbau ist First Class einfach ein saugutes Spiel geworden, das selbstverständlich ohne Einschränkungen weiterempfohlen werden kann.

Fazit:

Nomen est omen. First Class ist eine erstklassige Veröffentlichung geworden, die in einem Atemzug mit den bereits erwähnten Neo-Klassikern Russian Railroads und Marco Polo genannt werden kann. Mit dem hohen Wiederspielreiz hat First Class das Zeug zu einem zeitlosen Meisterwerk, und ein solches Lob kann eigentlich kaum noch getoppt werden. Große Klasse – Daumen steil nach oben!

Freitag, 18. November 2016

Mage Wars Academy Grundspiel - Tiermeister vs Zauberer



Verlag: Pegasus
Autor: Bryan Pope
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: 30 - 45 Minuten


Einleitung:

Um einen Abschluss an der Akademie von Sortilege zu bekommen, müssen sich die aufstrebenden jungen Magier in Duellen auf Leben und Tod beweisen. Mit Zauberbüchern bewaffnet und mit mächtigen Kreaturen als Verbündete gesegnet, tragen die Protagonisten einen magischen Kampf aus, bei dem sich in der Regel die beste Strategie durchsetzt.

Ablauf:

Beide Spieler entscheiden sich zunächst für einen Charakter (Tiermeister bzw. Zauberer) und nehmen sich ihr Zauberbuch, das wahlweise eigenständig oder mit empfohlenen Sets bestückt wird. Jeder Spieler legt seine Magierkarte und die dazu passende Eigenschaftskarte vor sich hin. Die Eigenschaftskarte beinhaltet sämtliche Informationen zum jeweiligen Magier, z.B. Lebenspunkte, Zauberpunkte, Manasammlung, Rüstung und Spezialeigenschaft. Weiterhin besitzt jeder Spieler einen Statusanzeiger, auf dem sowohl das verfügbare Mana als auch die erlittenen Schäden eingestellt werden.

Im Laufe des Spiels beschwören die Duellanten verschiedene Kreaturen, legen Ausrüstungskarten aus und wirken diverse Verzauberungen. Genauso wie die Eigenschaftskarten der Spieler beinhalten sämtliche Zauberkarten verschiedene Informationen, z.B. die Zauberkosten, das Ziel bei einem Angriff und den Zaubereffekt. Die ausgespielten Karten werden offen in das eigene Deck platziert. Kreaturenkarten liegen neben dem jeweiligen Magier und Ausrüstungskarten neben der Eigenschaftskarte. Alle Duelle laufen in Runden ab, die jeweils in drei Phasen unterteilt sind:

  • Grundstellungsphase
  • Erhaltungsphase
  • Aktionsphase

In der Grundstellungsphase werden die in der vorherigen Runde verwendeten Karten zurückgesetzt, d.h. reaktiviert. Weiterhin erhalten die Spieler Mana für ihre Sammlung. In der Erhaltungsphase werden Effekte wie Regenerieren usw. ausgeführt. Es folgt die Aktionsphase, die das Herzstück von Mage Wars Academy darstellt,. Nun können gegnerische Kreaturen bzw. ggf. der gegnerische Magier angegriffen werden, Zauber angewandt werden oder sonstige Aktionen ausgeführt werden. Dabei sind die Spieler immer abwechselnd am Zug. Wenn eine Karte abgelegt werden muss bzw. zerstört wurde, kommt sie auf den Ablagestapel ihres Besitzers.

Das Spiel endet, sobald ein Magier besiegt wurde. Dieser Fall tritt ein, wenn ein Magier mindestens soviel Schaden wie die Höhe seiner Lebenspunkte erlitten hat. Dann ist das Spiel vorbei und der Gegner hat gewonnen.

Meinung:

Wow … ganz großes Kino. Bereits die Illustration von Mage Wars Academy verspricht eine epische Schlacht in einem grandiosen Fantasy-Gewand, und die Optik ist definitiv ein Augenschmaus. Wunderschöne Grafiken gehen einher mit einwandfreier Materialqualität, so dass bereits direkt nach dem Öffnen der Schachtel die Vorfreude in die Höhe schnellt.

Und um es gleich vorwegzunehmen: der Spielspaß entspricht haargenau den großen Erwartungen. Erfahrene Spieler stellen sich ihr Zauberbuch selbst zusammen, doch für die ersten Partien sind die empfohlenen Sets durchaus sinnvoll. Denn Mage Wars Academy ist sicherlich kein Spiel, dessen gesamte Tiefe man auf Anhieb erfasst. Das Grundprinzip ist klar: den Gegner kräftig aufs Maul hauen bis zum Tod bekämpfen. Aber wie macht man das am besten? Natürlich müssen angriffslustige Kreaturen in Stellung gebracht werden, aber genauso wichtig wie die Abteilung Attacke sind defensive Überlegungen, um den eigenen Magier möglichst wirkungsvoll zu beschützen. Speziell dafür lohnt sich eigentlich immer das Abstellen von einer oder mehreren Kreaturen als Wache. Wachen schützen zum einen den Magier und zum anderen befreundete Kreaturen vor gegnerischen Nahkampfangriffen. Außerdem hat jede Wache die Eigenschaft, einen Gegenschlag ausführen zu dürfen. Der Gegner muss sich also durchaus Gedanken machen, wen er da in den Kampf schickt.

Im Gegensatz zu Mage Wars Arena gibt es bei Mage Wars Academy keine Zonen. Die Kämpfe finden quasi allesamt in einer einzigen großen Zone statt. Und wo wir schon beim großen Bruder als Vorlage sind: die Mechanismen von Mage Wars Academy und Mage Wars Arena sind überwiegend identisch. Mage Wars Academy ist aber vereinfacht bzw. „verschlankt“, obwohl immer noch stolze 30 Seiten Spielanleitung zu Buche schlagen. Nichtsdestotrotz ist das Ganze leichter und vor allem schneller als Mage Wars Arena. Die angegebene Spielzeit in Höhe von 30-45 Minuten ist durchaus realistisch, während die Spieldauer einer Partei Mage Wars Arena zumeist deutlich länger ist. Wer ein Freund von Deckbuilding-Kartenkampfspielen ist, kommt mit absoluter Sicherheit bei beiden Veröffentlichungen auf seine Kosten.

Fazit:

Mage Wars Arena Experten sollten sich unbedingt darüber im Klaren sein, dass Mage Wars Academy quasi eine „Light“-Version vom großen Bruder ist. Nicht so kompliziert und nicht so lang, aber gekonnt verschlankt und auf die Kernelemente heruntergebrochen. Diese sind aufgrund der Abhängigkeiten und der Komplexität aber immer noch verdammt anspruchsvoll, so dass jeder Mage Wars Neueinsteiger beste Unterhaltung geboten bekommt. Die Pegasus-Einstufung als Kennerspiel geht voll in Ordnung, wobei auch Experten an Mage Wars Academy ihre helle Freude haben.

Dienstag, 8. November 2016

Mea Culpa



Verlag: Zoch
Autor: Rüdiger Kopf / Klaus Zoch
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: ca. 90 Minuten


Einleitung:

Als eine Wahrsagerin zwei bis vier Säufern verkündet, dass nur ein einziger Sünder nach Fertigstellung zweiter Dome in den Himmel kommt, fährt den betroffenen Protagonisten der Schrecken in die Glieder. Aus Angst vor der ewigen Verdammnis in der Hölle setzen die Spieler alles daran, so nahe wie möglich dem Himmelstor zu kommen. Dazu benötigen sie wertvolle Ablassbriefe, für deren Erhalt sie wiederum sündigen müssen.

Ablauf:

Zunächst wird der Spielplan in die Mitte gelegt und mit sieben Warensteinen aus dem Stoffbeutel sowie vier Freudenhauskarten bestückt. Jeder Spieler erhält ein Kerbholz, sieben Sündensteine, eine Schatulle und einen Sichtschirm, hinter den er 25 Taler aus der Kasse legt. Abhängig von der ausgelosten Spielerreihenfolge starten die Protagonisten außerdem mit einem kleinen Vorteil, der sofort als Spende in der Schatulle verstaut wird. Die Domteile und das Geld sowie die Ablassbriefe in vier verschiedenen Farben werden neben dem Spielplan bereitgelegt. Alle Warensteine (außer den sieben Waren auf dem Markt) verbleiben im Stoffbeutel.

Zu Beginn einer Runde bietet jeder Spieler auf einen Charakter und führt bei Erhalt der Charakterkarte dessen Vorspiel aus. Um zu bieten, drehen die Sünder ihr Kerbholz geheim auf einen frei wählbaren Wert und fügen ggf. noch Geld hinzu. Die Summe aus Kerben und Geld ist der Bietwert. Abhängig vom Bietwert dürfen sich die Spieler einen Charakter aussuchen, den sie bis zum Ende der Runde behalten. Jeder Charakter beinhaltet unterschiedliche Vorteile. Beispielsweise erhält der Händler am Ende jedes eigenen Spielzugs einen Stein kostenlos vom Markt. Der aktive Spieler darf entweder aussetzen oder eine der folgenden Aktionen ausführen:

  • Er kauft eine Ware oder einen Ablassbrief (falls vorhanden)
  • Er verkauft eine Ware
  • Er spendet
  • Er besucht das Freudenhaus

Liegen mehrere gleiche Waren im Markt, kann ein Spieler auch zwei gleiche Waren zum Preis von einer Ware kaufen. Für diese Habgier muss er allerdings einen Sündenstein in den Sündenpfuhl der Habgier werfen. Spenden werden immer in die Schatulle gelegt. Diese ist in zwei Fächer unterteilt. Das Fach ist immer frei wählbar. Im Laufe des Spiels kommt es zu zwei Spendenauswertungen (immer dann, wenn ein Dom fertiggestellt wurde). Durch den Besuch des Freudenhauses erhalten die Spieler diverse Boni, die entweder Geld einbringen oder eine Sonderaktion erlauben. Dafür muss der Spieler aber sein Kerbholz weiterdrehen, es sei denn, er besitzt den Charakter des Kleinen Sünders. Auch als Papst kann man das Freudenhaus besuchen, allerdings inkognito. Wird der Papst von seinen Mitstreitern nicht erwischt, muss er sein Kerbholz nicht weiterdrehen.

Sobald alle Steine vom Markt genommen wurden, endet die laufende Runde. Nun werden die Kerbhölzer verglichen. Der Spieler mit den meisten Kerben muss seine Arme Seele in Richtung Hölle ziehen. Im Verlauf des Spiels wandern die Seelen der Spieler auch dann zum Fegefeuer, wenn sie mit Sündensteinen in einem Sündenpfuhl vertreten sind, der aufgrund der Papststeine zur Leerung kommt. Mit einer Spendenauswertung bei Fertigstellung des Doms erhalten die beiden großzügigsten  Spender Ablassbriefe vom Vorrat. Das Spiel endet nach der zweiten Spendenauswertung. Für ein Set aus vier unterschiedlichfarbigen Ablassbriefen ziehen die Spieler ihre Arme Seele acht Felder in Richtung Himmel. Einzelne Ablassbriefe bringen die Seele ein Feld vorwärts. Wer am Schluss am nächsten zum Himmel steht, gewinnt das Spiel. Alle anderen Spieler fahren zur Hölle.

Meinung:

Mea Culpa ist innovativ, originell, witzig, anspruchsvoll, abwechslungsreich und spannend. Mit anderen Worten ausgedrückt: dieses Spiel ist einfach geil.

Das Thema der Ablassbriefe ist relativ ungewöhnlich, aber nichtsdestotrotz hat es auch schon bei anderen Veröffentlichungen Einzug gehalten (z.B. bei Domus Domini). Der Gesamtkontext rund um das Spiel und das Thema ist bei Mea Culpa aber einzigartig und sensationell in Szene gesetzt. Das fängt schon mit den erforderlichen „Bastelarbeiten“ an, um die Schatullen und die Kerbhölzer zusammenzusetzen. Die Anleitung zum Zusammenbau ist hervorragend konzipiert, und selbst ungeübte Bastel-Dummies schaffen es auf Anhieb, die Teile zusammenzubauen. Damit die Kerbhölzer halten, muss jedoch auf die Hilfe von Tesa oder Klebstoff zurückgegriffen werden, denn nur zusammengesteckt gehen die Hölzer schnell wieder auf.

Wie bei jedem Spiel ist der Spielspaß natürlich der wichtigste Faktor. Und dieser Spaß ist bei Mea Culpa in höchstem Maße ausgeprägt. Das Thema des Spiels wurde hervorragend umgesetzt, und die Mechanismen funktionieren ausgezeichnet. Das Spiel macht in jeder Konstellation Spaß, wobei die Maximalanzahl von vier Spielern den maximalen Fun garantiert. Mea Culpa eignet sich übrigens sowohl für Vielspieler als auch für ambitionierte Gelegenheitsspieler. Lediglich jüngeren Kindern oder klassischen Familienspielern dürfte das Ganze zu komplex sein.

Die erste Überlegung einer jeden Runde fängt schon beim Bieten auf die Charaktere an. Diesbezüglich lohnt sauf jeden Fall ein genauer Blick auf die ausliegenden Freudenhauskarten, denn manche dieser Karten sind extrem mächtig, z.B. das Schicken aller Mitglieder fünf Schritte in Richtung Hölle. Dafür lohnt sich mit Sicherheit ein hoher Einsatz und die Wahl des Kleinen Sünders, denn fünf Schritte sind schon verdammt viel. Um einen solch gewaltigen Rückschritt aufzuholen müssen die Betroffenen fast schon ein Set vervollständigen oder zumindest fünf beliebige Ablassbriefe ergattern. Insofern ist speziell diese Freudenhauskarte fast schon zu mächtig, aber auf der anderen Seite haben es ja alle Spieler selber in der Hand, mit einem hohen Gebot die Karte abzugreifen. Liegen mittelmäßig wertvolle Freudenhauskarten aus, ist die Wahl des Charakters auch von großer Wichtigkeit. Der Kaiser erscheint auf den ersten Blick am schwächsten, aber die Möglichkeit einer zweifachen Spende darf keinesfalls unterschätzt werden. Dieser Bonus entspricht schließlich quasi einer Spenden-Bonusaktion, und wer viele Waren im Besitz hat, sollte durchaus spendabel sein. Bei der Spendenauswertung kann sich das lohnen. Geiz ist in diesem Fall also nicht geil ;-)

Lohnt sich ein hohes Kerbholzgebot, bzw. das Heraufdrehen des Kerbholzwerts im Rahmen eines Puff-Besuchs? Kommt ganz drauf an, wie viel Kerben die Mitstreiter geboten haben. Hat ein Konkurrent beispielsweise nur eine Kerbe investiert, sollte vor einem extrem hohen Kerbholzgebot abgesehen werden. Denn schließlich wandert die Arme Seele des betroffenen Sünders dann rigoros Richtung Hölle, und mehr als zwei bis drei Schritte ist selbst die verlockendste Freudenhaus-Aktion in der Regel nicht wert. Es gilt also vieles abzuwägen, aber dabei wird der Gehirn-Prozessor der Spieler niemals bis zum Durchschmoren beansprucht. Mea Culpa ist nämlich ein durchaus anspruchsvolles, aber kein übermäßig kompliziertes Spiel. Der Schwierigkeitsgrad ist in etwa bei Fresko und ähnlichen Veröffentlichungen angesiedelt.

Fazit:

Wer ein originelles Thema mit frischem Material und relativ anspruchsvollen Mechanismus sucht, liegt bei Mea Culpa goldrichtig. Dieses Spiel kann bedenkenlos über den grünen Klee gelobt werden, weil das Ganze schlichtweg super ist. Wer sich vom geschilderten Ablauf und der dazugehörigen Meinung angesprochen fühlt, kann hier ohne weiteres zuschlagen.

Freitag, 4. November 2016

Die Legenden von Andor - Die Letzte Hoffnung



Verlag: Kosmos
Autor: Michael Menzel
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 60 - 90 Minuten


Einleitung:

Die Helden von Andor kommen einfach nicht zur Ruhe. Kaum aus dem hohen Norden zurückgekehrt, müssen sie sich sogleich in den gefährlichen Süden begeben, um die verschleppten Bewohner aus den Klauen der Krahder zu befreien. In sieben Legenden endet mit der Letzten Hoffnung die Andor-Trilogie von Michael Menzel, der mit diesen Veröffentlichungen einen neuen Maßstab für Kooperationsspiele gesetzt hat.

Ablauf:

Zusammen mit einem neuen doppelseitigen Spielplan wartet Die Letzte Hoffnung mit sieben brandneuen Legenden auf. Und selbstverständlich beinhaltet die Veröffentlichung auch wieder jede Menge Material und vier Helden.

Die grundlegenden Regeln des Basisspiels und der Norden-Erweiterung sind erwartungsgemäß weiterhin gleich geblieben. In diesem Zusammenhang empfiehlt sich daher das Lesen einer Basisspiel-Rezension, doch für Neueinsteiger seien an dieser Stelle die wichtigsten Mechanismen der Andor-Spiele kurz erläutert. Die Legenden von Andor sind Kooperations-Brettspiele, bei denen die Helden (=Spieler) gemeinsam als Team diverse Herausforderungen/Aufgaben bestehen müssen. Als Aktion kann der aktive Spieler immer zwischen „Laufen“ und „Kämpfen“ wählen. Beide Optionen kosten Stunden, die auf der Tagesleiste abgetragen werden. Am Ende eines Tages, d.h. wenn alle Helden ihr Tages-Stundenlimit ausgereizt haben, wandert der Erzähler ein Feld nach oben und aktiviert eine Ereigniskarte, die neue Herausforderungen einführt und zumeinst neue Monster auf den Spielplan bringt. Im Laufe einer Legende müssen die Spieler in der Regel mehrere Ziele erfüllen, um die Gesamtaufgabe zu bewältigen. Dabei ist zu beachten, dass die Kreaturen unaufhaltsam weiterziehen und unter bestimmten Bedingungen zum Verlieren der Helden beitragen.

Die Letzte Hoffnung verändert diesen Mechanismus nicht. Neben Wargors, Bergskralen und Trollen müssen die Spieler im letzten Teil der Trilogie auch gegen hinterhältige Skelettkrieger kämpfen. Mit leichten Regelanpassungen lassen sich die Legenden 12-17 etwas leichter spielen. In der Stufe 1 können die alten Waffen einen ganzen Kampf lang eingesetzt werden, und nicht nur für eine Kampfrunde. Weiterhin kostet jede Überstande nur einen Willenspunkt. Stufe 2 stärkt die Sonderfähigkeiten der Helden, z.B. kann der Zauberer einen Zauber mehrfach ins Spiel bringen.

Meinung:

Sowohl die Ablaufbeschreibung als auch dieser Meinungsblock sind relativ kurz gehalten, was einen einfachen Grund hat: auf diese Weise werden Spoiler verhindert, um dem Spielspaß und das Entdecken der neuen Optionen nicht vorzugreifen und damit die Spannung herauszunehmen. Aber wo wir schon dien Faktor „Spielspaß“ angesprochen haben: dieser ist gigantisch und steht seinen fulminanten Vorgängern (Die Legenden von Andor und Die Reise in den Norden) in nichts nach. Anders ausgerückt: Die Legenden von Andor – Die Letzte Hoffnung ist schlichtweg fantastisch, großartig und sensationell. Sämtliche Superlative sind bei dieser Veröffentlichung berechtigt, weil Die Letzte Hoffnung ein nahezu perfektes Koop-Brettspiel ist.

Als erstes erschlägt wieder die Fülle an Material den geneigten Andor-Fan. Sowohl die Masse als auch die Optik und die hervorragende Qualität zaubern bereits beim Öffnen der Schachtel ein freudiges Lächeln in das Gesicht des stolzen Besitzers. Die Ausstattung des Spiels kann also nur in vollem Maße gelobt werden, denn wie alle Andor-Veröffentlichungen ist auch Die Letzte Hoffnung ein wahrer Augenschmaus.

Genauso geil wie die Aufmachung ist auch der Spielspaß. Die Letzte Hoffnung ist der perfekte Abschluss einer grandiosen Trilogie, und wer die ersten beiden Veröffentlichungen mag, wird auch dieses Spiel lieben. Wie immer ist die Einstiegshürde relativ einfach gestrickt und ist primär für Andor-Novizen geeignet, die über die bewährte Losspiel-Anleitung gleich einsteigen können und so die Mechanismen bestens kennenlernen. Danach steigt der Schwierigkeitsgrad signifikant an. Ohne die Regelvereinfachungen ist es teilweise sauschwer, gewisse Legenden zu meistern (und es wird nicht verraten, welche Legenden das sind, HeHe). Und genau dieser heftige Schwierigkeitsgrad sorgt für einen hohen Wiederspielreiz, denn schließlich will man jede Legende einmal gewinnen (ohne sie durch zu leichte Anforderungen „geschenkt“ zu bekommen).

Wie immer ist auch die Atmosphäre von der Letzten Hoffnung intensiv ausgefallen. Wo bei anderen Veröffentlichungen die Mechanik über ein beliebiges Thema gestülpt wurde, dominiert bei Andor die Geschichte hinter dem Spiel. Flair und Charisma könnten also nicht besser sein.

Fazit:

Großartig! Die Letzte Hoffnung ist nicht nur eine Erweiterung, sondern eine eigenständige Veröffentlichung, die kein Basisspiel voraussetzt. Die Letzte Hoffnung kann ohne jegliche Vorkenntnisse gespielt werden, aber wer die ganze Story kennt, taucht sicherlich noch tiefer in die fantastische Andor-Welt ein. Klares „must have“ für alle Andor- und Koop-Spiel-Fans. Top!!!