Freitag, 20. Mai 2016

Grand Austria Hotel



Verlag: Lookout Spiele
Autor: Simone Luciani / Virginio Gigli
Spieleranzahl: 2 - 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 90 Minuten


Einleitung:

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Wien ein bedeutendes Zentrum Europas. Die Strassen der Stadt waren bevölkert von Adeligen, Künstlern, Politikern, Bürgern und Touristen. In Grand Austria Hotel wetteifern zwei bis vier Spieler um die Gunst der Gäste, um ihre ursprünglich kleine Herberge zu einem großen Hotel auszubauen.

Ablauf:

Zunächst wird der Spielplan mit der Hofburg in die Mitte gelegt. Dieser Plan beinhaltet die Felder für die Kundenkarten, die Kaiserleiste, drei Felder für Kaiserplättchen und drei Felder für Politikkarten. Neben dieses Tableau wird der Aktionsplan mit sechs Aktionsfeldern platziert. Ebenfalls beiseite gelegt werden der Mistkübel, die Siegpunktmarker, die verdeckten Personalkarten, die verdeckten Kundenkarten und die farbigen Würfel, die vier verschiedene Speisen und Getränke darstellen. Sowohl von den Politikkarten als auch von den Kaiserplättchen werden drei Stück gezogen und auf die entsprechenden Felder des Spielplans gelegt. Jeder Spieler erhält eine Übersichtskarte, einen Hotelplan, sechs Spielsteine seiner Farbe und jeweils einen Kaffee, einen Wein, eine Torte und einen Strudel. Last not least startet jeder Spieler mit sechs Personalkarten, die er bis zum Ausspielen geheim halten darf.

Das Spiel geht über sieben Durchgänge. Nach den Durchgängen 3,5 und 7 erfolgt eine Kaiserwertung. Zu Beginn einer Runde würfelt der Startspieler mit allen Würfeln und sortiert diese auf die passenden Aktionsfelder des Aktionsplans. In seinem Zug muss der aktive Spieler einen Würfel aus der Auslage nehmen und die dazugehörige Aktion ausführen. Optional kann er einen Kunden aus der Auslage nehmen und/oder ggf. Zusatzaktionen ausführen. Die Anzahl der ausliegenden Würfel bestimmt die Häufigkeit der entsprechenden Aktion. Die einzelnen Aktionen sind:

  • Strudel und/oder Torte nehmen
  • Wein und/oder Kaffee nehmen
  • Einen Raum im eigenen Hotel vorbereiten
  • Auf der Kaiserleiste oder der eigenen Geldleiste vorrücken
  • Eine Personalkarte ausspielen
  • Gegen Abgabe einer Krone eine der anderen Aktionen ausführen

Als Zusatzaktion kann der Spieler unter anderem einen Kunden, dessen Bedingungen (Speisen- und Getränkewünsche) erfüllt sind, in einen freien Raum einziehen lassen. Dafür erhält der Spieler eine Belohnung. Der Raum wird anschließend als belegt markiert. Weitere Zusatzaktionen sind beispielsweise noch das Nutzen einer ausliegenden Personalkarte oder die Besetzung einer Politikkarte, die wiederum eine Belohnung bzw. einen Bonus ermöglicht.

Sobald alle Spieler zweimal an der Reihe waren endet ein Durchgang. Im Rahmen einer Kaiserwertung erhalten die Spieler Siegpunkte und ggf. einen Bonus oder einen Malus für ihre Position auf der Kaiserleiste. Nach dem siebten Durchgang erfolgt die Schlusswertung, bei der die Spieler noch Siegpunkte für diverse Personalkarten, belegte Zimmer und verbliebene Speisen/Getränke erhalten. Für Kunden, die noch im Kaffeehaus liegen und somit nicht bedient wurden, verliert der Spieler jeweils fünf Siegpunkte. Der Spieler mit den meisten Punkten hat dann gewonnen.

Meinung:

Top!!! Mit Grand Austria Hotel ist Lookout Spiele mal wieder ein ganz großer Wurf gelungen, der das Herz aller Vielspieler bestens erfreuen dürfte. Allerdings müssen diese Kennerspieler auch ein Verständnis und eine Akzeptanz für einen gewissen Glücksfaktor mitbringen, denn die Göttin Fortuna spielt bei dieser Veröffentlichung sicherlich keine unbedeutende Rolle. Und damit ist nicht nur die Anzahl der Würfelaugen gemeint, sondern auch die Auslage der Kundenkarten. Wer nun aber meint, dass das Glück zu ausschlaggebend sei, ist definitiv im Irrtum. Durch die Karten (Personalkarten und Kundenkarten) und die Spielerreihenfolge erhält Grand Austria Hotel eine sehr gute Balance, die nur in sehr wenigen Partien unausgewogen ist.

Und wo wir schon die Spielerreihenfolge angesprochen haben: der Startspieler kommt mit seinem zweiten Zug als Letzter des aktuellen Durchgangs an die Reihe, was besonders in einem Vier-Personenspiel eine gewaltige Downtime mit sich bringt (=Wartezeit, bis man wieder am Zug ist). Insofern sollten die Spieler also auch ein hohes Maß an Geduld mitbringen, denn die Spielzüge der Konkurrenten können durchaus lange dauern. Vielspieler sollten für diese Tatsache jedoch vollstes Verständnis haben, denn die Aktionen der Spieler müssen jederzeit gut überlegt sein. Mit Extremgrüblern am Tisch kann sich eine Partie also ganz schön ziehen, und in Vollbesetzung wird die angegebene Spielzeit von 90 Minuten so gut wie nie eingehalten. Zu zweit und vielleicht sogar zu dritt ist das jedoch möglich, wenn die Spieler Grand Austria Hotel bereits gut kennen.

Aus spielerischer Sicht ist Grand Austria Hotel eher taktisch als strategisch ausgerichtet. Zumindest in 3er- und 4er-Konstellationen, denn dann entscheiden in der Tat oftmals die Würfel über lohnenswerte Aktionen. In den Zügen der Spieler ist auf jeden Fall vieles zu beachten. Nicht nur die Anzahl der verfügbaren Würfel, sondern auch die Art der Belohnungen von Kunden oder die Hilfe des Personals. Dementsprechend ist das Timing der Zusatzaktionen nicht zu unterschätzen, denn manchmal kann auch der richtige Zeitpunkt über die Effektivität eines Spielzugs entscheiden.

Alles in allem ist Grand Austria Hotel ein bockstarkes Spiel geworden, dessen sämtliche Feinheiten im Ablaufblock nicht untergebracht werden konnten. Das hätte den Rahmen gesprengt, und bei einer guten Rezension kommt es in erster Linie darauf an, dass sich die Leser den Kernmechanismus in etwa vorstellen können. Nach Tzolk´in und Auf den Spuren von Marco Polo ist Mitautor Simone Luciani wieder eine hundertprozentig gelungene Veröffentlichung geglückt, die perfekt ins Portfolio von Lookout Spiele passt. Sowohl die Mechanismen als auch die Illustration von Klemens Franz sind im typischen Lookout Stil gehalten, und wer generell die anspruchsvollen Spiele des Verlags mag, wird auch Grand Austria Hotel lieben. Manche Personalkarten bzw. Karteneffekte müssen zwar erst nachgeschlagen werden, aber dem gigantischen Spielspaß tut das natürlich keinen Abbruch.

Fazit:

Grand Austria Hotel steht für ein großartiges Spielprinzip, ein frisches und unverbrauchtes Thema sowie einem fantastischen Spielspaß, der die kleinen grauen Zellen aller Spieler fordert. Wer die bereits erwähnte lange Downtime nicht scheut, kommt um dieses Spiel nicht herum. Ergo: hundertprozentige Weiterempfehlung ohne jegliche Abstriche.

Montag, 2. Mai 2016

Dynasties



Verlag: Hans im Glück
Autor: Matthias Cramer
Spieleranzahl: 3 - 5
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 90 Minuten


Einleitung:

In Dynasties verkörpern drei bis fünf Spieler ambitionierte Fürstenhäuser, die durch diplomatisches Geschick und Handel ihren Einfluss in Europa vergrößern wollen. Mittels einer Heirat erhalten die Protagonisten eine Mitgift, die im Verhältnis 2:1 zwischen den Brautleuten aufgeteilt wird. Der Handel verläuft über drei Schiffe und findet zumeist in der Relation 3:2 statt. Wer agiert am geschicktesten und schneidet sich das größte Stück vom Kuchen ab?

Ablauf:

Zunächst wird der Spielplan in die Mitte platziert und mit allen benötigten Utensilien (Waren, Persönlichkeiten, Wertungs- und Aktionskarten, sonstige Plättchen) bestückt. Jeder Spieler erhält 18 Familienmitglieder seiner Farbe, von denen eine Figur auf die Zählleiste gestellt wird. Weiterhin erhalten die Akteure eine Ware pro Farbe sowie zwei grüne Wertungskarten, die sein Startkapital darstellen. Last not least bekommen die Spieler eine bestimmte Anzahl von Aktionskarten auf die Hand (spielerzahlabhängig).

Alle Aktionskarten bieten dem Besitzer drei Nutzungsmöglichkeiten, von denen er eine auswählt. Grundsätzlich gibt es fünf Aktionsmöglichkeiten im Spiel:

  • Handel
  • Fürst einsetzen
  • Fürstin einsetzen
  • Persönlichkeit nutzen
  • Sonderaktion ausführen

Um eine Handelsaktion durchzuführen muss die Karte unter anderem ein Handelsschiff zeigen. Dann setzt der Spieler eine Figur auf ein freies Feld von einem der Schiffe. Sobald ein anderer Spieler das zweite Feld dieses Schiffs besetzt, kommt es zur Teilung. Der Spieler auf dem kleineren Feld teilt die fünf Waren nach Belieben auf (3:2 oder 4:1) und bietet dem Spieler auf dem größeren Feld die zwei Warenkörbe an. Dieser Spieler darf sich dann einen Warenkorb aussuchen und nehmen. Den verbliebenen Warenkorb erhält der andere Spieler.

Ähnlich verläuft eine Teilung, wenn es zu einer Heirat kommt. Eine Heirat findet statt, wenn ein Spieler einen Fürsten zu einer bereits eingesetzten fremden Fürstin stellt (und umgekehrt). Voraussetzung für das Platzieren einer Fürstin bzw. eines Fürsten ist die Abgabe entsprechender Waren (weiße bzw. schwarze Warensteine). Unabhängig von einer Heirat erhält der einsetzende Spieler eine Belohnung. Eine weitere Aktionsmöglichkeit ist die Nutzung einer Persönlichkeit, die mit blauen Warensteinen bezahlt werden muss. Anschließend führt der Spieler eine Aktion  bzw. den Bonus aus, welche die Persönlichkeit bewirkt.

Die meisten Sonderaktionen ermöglichen das Einsetzen eines Fürsten / einer Fürstin in eine bestimmte Stadt. Im Gegensatz zur „normalen“ Einsetzfunktion muss der Spieler hier mit gelben Waren bezahlen und ist an einen bestimmten Ort gebunden. Weitere Sonderfunktionen können auch ein Handel oder die Nutzung einer Persönlichkeit sein. Sobald alle Spieler gepasst haben, führen sie noch eine Bonusaktion aus. Dann endet der Durchgang und eine Durchgangswertung findet statt. Für ledige Fürsten und Fürstinnen auf dem Spielplan erhalten die Spieler in den ersten beiden Durchgängen Siegpunkte. Weitere Punkte können die Spieler durch Ausspielen von gelben Wertungskarten erhalten (die über Persönlichkeiten, Mitgift oder Bonusaktionen vergeben werden). Am Ende des dritten Durchgangs findet die Schlusswertung statt, bei der die Mehrheiten in den einzelnen Ländern gewertet werden. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten hat dann gewonnen.

Meinung:

Nach den überragenden Erfolgen von Russian Railroads und Auf den Spuren von Marco Polo war die Meßlatte zum neuen Hans im Glück Spiel extrem hoch angesetzt. Und die Frage aller Fragen war natürlich, ob Dynasties dieser ambitionierten Erwartungshaltung gerecht wird.

Ähnlich wie Marco Polo tendiert auch Dynasties wieder größtenteils in Richtung Vielspieler-Spiel, aber auch erfahrene Gelegenheitsspieler gehören zum Zielklientel dieser Veröffentlichung. Genau dieser Spagat hat sich in den ersten Partien aber auch als Achillesferse entpuppt, denn den lupenreinen Strategiespielern war der Glücksfaktor von Dynasties zu hoch. Eine der siegpunktträchtigsten Aspekte des Spiels ist nämlich der Einsatz von gelben Wertungskarten, und beim Ziehen dieser Karten spielt Fortuna eine große Rolle. Wer zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Karten zieht hat einen klaren Vorteil gegenüber Mitspielern, die oftmals unpassende Wertungskarten auf die Hand bekommen. In diesem Zusammenhang sei übrigens angemerkt, dass es bei diversen gelben Wertungskarten leichte Unklarheiten in der Erläuterung auf dem Beiblatt gibt. Gemeint sind nämlich die eigenen Familienmitglieder (Verheiratet) bzw. eigene Fürsten und Fürstinnen auf dem Spielplan. Bei den Karten Fürst / Fürstin hat der Verlag übrigens bereits einen entsprechenden Hinweis in den FAQ zum Spiel veröffentlicht.

Und wo wir schon beim erwähnten Beiblatt sind, wollen wir auch die eigentliche Spielanleitung von Dynasties unter die Lupe nehmen. Diese ist absolut vorbildlich geworden, wie man es vom Hans im Glück Verlag gewohnt ist. Sowohl der Aufbau als auch die Struktur des Regelwerks sind perfekt konzipiert, und auch der Schreibstil und die dazugehörigen Beispiele sind äußerst verständlich verfasst und leicht zugänglich geschrieben. Diesbezüglich muss man Hans im Glück einfach ein allgemeines Riesenkompliment machen, denn ein Lob zu den Spielanleitungen des Verlags ist eigentlich immer gang und gebe. Da sitzen echte Könner im Lektorat, die genau wissen, was sie tun.

Spielerisch ist es natürlich immer von Vorteil, möglichst viele Waren zu besitzen. Insofern sind die Handelsplätze in den Schiffen äußerst begehrt, weil der Handel nun mal die leichteste Möglichkeit ist, um an Warensteine heranzukommen. Sobald ein Spieler über schwarze oder weiße Waren verfügt, lohnt sich prompt das Einsetzen von Fürsten und Fürstinnen. Diese Option ist eigentlich immer überlegenswert und sollte so schnell wie möglich genutzt werden. Ebenfalls beliebt ist die Nutzung von Persönlichkeiten. Vor allem Karl V. ist diesbezüglich heiß begehrt, weil diese Person den Bezug einer gelben Wertungskarte ermöglicht, die wiederum für viele Siegpunkte gut ist. Wie bei den meisten Spielen ist eigentlich alles wichtig. Das A und O des ganzen ist ein gutes Timing. Die richtige Aktion zum richtigen Zeitpunkt ist ein Garant für eine vielversprechende Strategie, und bei gleich starken Spielern geht Dynasties halbwegs eng aus. In diesem Fall entscheiden oftmals Glücksnuancen über Sieg und Niederlage.

Fazit:

Kommen wir abschließend zur bereits erwähnten Frage aller Fragen zurück. Kann Dynasties die hoch liegende Meßlatte erreichen, die Russian Railroads und Konsorten gesetzt haben? Die Antwort hierauf lautet: Ja, zum Großteil. Das Spiel macht Spaß, sieht klasse aus und hat Wiederspielreiz. Allerdings darf nicht verschwiegen werden, dass Russian Railroads und Co. einen Tick besser sind. Unter dem Strich ist Dynasties aber zweifellos eine bedenkenlose Weiterempfehlung wert, wenn interessierte Vielspieler mit einem gewissen Glücksfaktor leben können.