Freitag, 18. März 2022

Der Herr der Ringe - Reise durch Mittelerde - Schatten des Krieges

Verlag: Fantasy Flight Games / Asmodee

Autor: Grace Holdinghaus / Philip D. Henry

Spieleranzahl: 1 – 5

Alter: ab 14 Jahren

Spieldauer: 60+ Minuten pro Abenteuer

 

Einleitung:

Schatten des Krieges ist nach Dunkle Pfade die zweite Erweiterung zu Der Herr der Ringe – Reise durch Mittelerde. Thematisch stehen diesmal die beiden Königreiche Gondor und Rohan im Mittelpunkt, die von angreifenden Söldnern bedroht werden. Zum Schutz der beiden Reiche stellen sich 1 – 5 Helden einer neuen Abenteuerkampagne, die wie gewohnt mit einem epochalen Endkampf abschließt.

Ablauf:

Grundsätzlich werden die Mechanismen des Grundspiels und der ersten Erweiterung beibehalten und lediglich durch neue Komponenten ergänzt. Da nicht jeder Leser das Basisspiel kennt, wird zunächst ganz kurz das grundlegende Prinzip erläutert.

Reise durch Mittelerde ist ein kooperatives Miniaturen-Brettspiel, das über eine kostenlose App gesteuert wird. Die Spieler wählen jeweils einen Heldencharakter, dessen Ausrüstung im Verlauf der Kampagne verbessert wird. Die Hauptaktionen der Helden sind Laufen (Bewegung), Kampf und Interaktion mit verschiedenen Markern (Suchmarker, Bedrohungsmarker, Personenmarker). Jeder Spieler verfügt über ein eigenes Kartendeck. Beim Ausführen von Proben / Kämpfen werden Karten aufgedeckt und auf Treffer bzw. Erfolge überprüft. Unabhängig vom Ausgang eines einzelnen Szenarios schreitet das Abenteuer unaufhaltsam voran, bis die App das Ende der Kampagne bekanntgibt.

Schatten des Krieges beinhaltet neben einer neuen Kampagne auch etliches neues Material wie Spielplanteile, Miniaturen, Gegenstandskarten, Fertigkeiten usw. Besonders erwähnenswert sind die neuen Elemente der Reittierkarten, Fluchkarten und Befestigt-Marker (bzw. Spielplanteile mit aufgedrucktem Befestigt-Symbol). Flüche werden durch Spieleffekte vergeben und behindern die Helden durch negative Effekte. Reittiere sind eine neue Art der Ausrüstung und können im Laufe der Kampagne gefunden werden. Die Vorteile dieser neuen Ausrüstungsart sind vielseitig und unterschiedlich (z.B. zwei zusätzliche vorbereitete Fertigkeiten ausgerüstet haben, zusätzliche Möglichkeiten zum Erhalt von Inspiration etc.). Als neue Geländearten gibt es Gräben und Zäune sowie Barrikaden und Truhen. Weiterhin gibt es einen Marker mit einem Teich bzw. Springbrunnen auf der Rückseite. Befestige Felder können nicht verlassen werden, wenn mehr Feinde als Helden darauf stehen. Respektive können Gegner das Feld nicht verlassen, wenn die Helden in der Überzahl sind. Ebenfalls neu sind Gegenstandsaufwertungen der Stufe IV. Pro Kampagne ist der Besitz auf einen Gegenstand dieser höchsten Stufe beschränkt. Die Auflevelung erfolgt wie gehabt durch Wissen.

Natürlich gibt es auch wieder neue Helden, von denen einer sogar ein Gestaltwandler ist und sich durch eine vorbereitete Fertigkeitskarte in einen Bären verwandeln kann. Erwartungsgemäß gibt es auch neue Rollen, die da wären: Wissenshüter, Wildnisführer, Schildmaid, Proviantmeister, Krieger und Spitzbube. Zwischen zwei Abenteuern dürfen die Helden wie gewohnt ihre Rolle wechseln. Last not least gibt es auch neue Feinde, die durch entsprechende Miniaturen dargestellt werden. Insgesamt beinhaltet die Erweiterung 21 neue Feindfiguren und 7 Helden-Minis. Somit liegen der Veröffentlichung also 28 Miniaturen bei. Die Anzahl der Szenarien liegt über 13. Aus Spoilergründen wird darauf nicht weiter eingegangen; ein bestimmtes Schlachtfeld-Szenario muss aber bei Reisen zwischen Gondor und Rohan immer wieder neu absolviert werden. Ansonsten gelten wie erwähnt die Spielregeln des Grundspiels, und auch die Auswahlmöglichkeit der verschiedenen Schwierigkeitsgrade hat sich nicht geändert (Abenteuer, Normal, Schwierig).

Meinung:

Genau wie Dunkle Pfade ist auch Schatten des Krieges eine großartige Erweiterung zu einem Super-Spiel geworden. Die Atmosphäre ist wie bei den Vorgängern sehr gut eingefangen und lässt die Spieler bei jedem Abenteuer richtiggehend mitfiebern. Die Story ist zugegebenermaßen ziemlich dünn und nichts Neues. Ob man nun Orks oder Dunkelzahn oder irgendwelche Söldner verfolgt ist letztendlich egal. Doch die Grafik der Spielplanteile in Verbindung mit den schönen Miniaturen und dem atmosphärischen Hintergrund-Keyboardteppich der App sorgen für Gänsehautfeeling und Flair auf ganzer Linie. So empfinde nicht nur ich das Ganze, sondern auch meine verschiedenen Mitspielergruppen. Mittelerde zieht die Spieler in seinen Bann – sowohl beim Grundspiel als auch bei beiden Erweiterungen.

Alle bisherigen Kampagnen sind durchweg gelungen, und auch Schatten des Krieges steht seinen Vorgängern in nichts nach. Es gibt aber ein paar Kleinigkeiten die dafür sorgen, dass ich Dunkle Pfade einen Tick besser finde. Zum einen muss man in Schatten des Krieges ein bestimmtes Schlachtplanszenario wiederholen, wenn man von Gondor nach Rohan reist (oder umgekehrt). Das Szenario ändert sich zwar minimal und wird auch schwieriger, aber gefühlt überwiegen mit diesem Mechanismus die Schlachtplanszenarien gegenüber den Reiseszenarien. Letztere sind aber „schöner“ und machen mir mehr Spaß, weil die bereits angesprochene Atmosphäre hier dichter ist. Das zweite, was mich ein bisschen enttäuscht hat, war der Einsatz des Olifanten und der Türme. Diese Figuren sehen mega aus, und wenn sie bemalt sind, dann sind sie sogar ein ultimatives Eyecatcher-Highlight. Soweit, so gut. Leider kommen sie kaum zum Einsatz! In meiner Kampagne kam sowohl der Olifant als auch ein Turm ein einziges Mal auf den Spielplan. Und beide Figuren wurden innerhalb kürzester Zeit mit nur zwei Fernangriffen besiegt. Da hätte ich mir ehrlich gesagt mehr Widerstand gewünscht.

Allerdings muss ich in diesem Zusammenhang sagen, dass ich mit Renerien gespielt habe, die meiner Meinung nach die stärkste Heldenfigur aller bisherigen Veröffentlichungen ist. Fernkampf ist ohnehin die empfehlenswertere Angriffsform, und wenn dann auch noch „tödlich“ UND „durchbohren“ dabei ist, dann ist das schon bärenstark. Apropos Bär … ebenfalls im Spiel war Beorn als Gestaltwandler. Der Beorn-Spieler hat sich fast nie in den Bären verwandelt. Selbst in menschlicher Form verursacht Beorn enormen Schaden und kann diesen durch vorbereitete Fertigkeiten noch verstärken. Die Wandlungsfähigkeit ist eigentlich eine super Idee, aber ein weniger starker Hauptcharakter wäre dafür vielleicht sinnvoller gewesen. Ein letzter kleiner Kritikpunkt ist diesmal das Inlay. Um alle Komponenten zu verstauen muss es eigentlich zwangsläufig entfernt werden. Das wurde beim Grundspiel und auch bei Dunkle Pfade besser gelöst, denn der Mittelteil war breiter und hat genügend Platz für die Spielplanteile geboten (Karten und Figuren konnten teilweise in den Seiten unter dem Karton verstaut werden). Das ist bei Schatten des Krieges nicht möglich, weil der mittlere Bereich zu schmal für einige Spielplanteile ist.

Nach diesen kleineren Kritikpunkten, die allesamt unter „Jammern auf hohem Niveau“ laufen, gibt es nur noch Positives zu vermelden. Wie immer ist das Material optisch und qualitativ hervorragend verarbeitet, und auch die Kampagne lässt das Herz aller Mittelerde-Fans höher schlagen. Das Spiel macht einfach tierisch Spaß und hat bislang jedem Spieler gefallen, dem ich es vorgestellt habe. Natürlich darf man nicht eine Komplexität wie bei Deep Madness, Sword & Sorcery, Gloomhaven usw. erwarten. Reise durch Mittelerde ist ein Abenteuerspiel für eine breitere Masse im Kennerbereich, wobei der „Masse“-Begriff keinesfalls negativ gemeint ist. Die Bezeichnung ist vielmehr ein Kompliment, weil diese Veröffentlichung eben so viele Spieler anspricht und nicht nur die absoluten Hardcore-Nerds. Wer also „normale“ Abenteuerspiele mag, der sollte sich unbedingt aufmachen und seine Reise nach Mittelerde schnellstmöglich beginnen. Es lohnt sich!

Fazit:

Zum Abschluss dieser Rezi kann bilanziert werden, dass Schatten des Krieges eine sehr gute Erweiterung geworden ist, die bedenkenlos weiterempfohlen werden kann. Der Preis für die Veröffentlichung mag auf den ersten Blick relativ hoch erscheinen, aber dafür bietet die Erweiterung ja fast den gleichen Content wie das Grundspiel. Insofern empfinde ich den Preis auch als gerechtfertigt, zumal das Spiel großartiges Material und eine lange Spieldauer beinhaltet. Lange Rede, kurzer Sinn: wer das Basisspiel und Dunkle Pfade gemocht hat, muss eigentlich auch bei Schatten des Krieges zuschlagen. Tolles Spiel – tolle Erweiterung.