Donnerstag, 29. Dezember 2016

Vor den Toren von Loyang



Verlag: H@LL Games / Pegasus
Autor: Uwe Rosenberg
Spieleranzahl: 1 - 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 60 - 120 Minuten


Einleitung:

Vor 2000 Jahren war Loyang eine der vier großen Hauptstädte des alten China. Um die Stadt mit Lebensmitteln zu versorgen fanden sich die Bauern der umliegenden Gebiete nach der Ernte vor den Toren von Loyang ein, um mit ihren Produkten Handel zu treiben. Dabei wurden nicht nur Stamm- und Laufkunden bedient, sondern auch Waren an Marktständen getauscht und in Saatgut investiert. Wer auf dem Wohlstandspfad am weitesten voranschreitet, erweist sich als erfolgreichster Landwirt und gewinnt das Spiel.

Ablauf:

Jeder Spieler erhält einen T-förmigen Spielplan, zehn Käsch (=Geld), ein Stammfeld mit neun Parzellen und eine Karte Karren/Lager. Der Laden auf dem Spielplan wird mit den vorgesehenen Lebensmitteln bestückt. Der Wertungsstein der Spieler wird auf das erste Feld des Wohlstandspfads gestellt. Nun erhalten die Spieler noch acht persönliche Felder, die als gemischter und verdeckter Privatstapel neben das Stammfeld gelegt werden.

Vor den Toren von Loyang verläuft über neun Runden, die in drei Phasen untergliedert sind. In der Erntephase deckt jeder Spieler ein Feld von seinem privaten Stapel auf und legt es rechts neben die anderen aufgedeckten Felder. Nun ernten die Spieler nach Möglichkeit von jedem eigenen Feld eine Ware und legen diese auf den Karren. In der folgenden Kartenphase erhält jeder Spieler verdeckt vier Karten auf die Hand. Der aktive Spieler kann eine Handkarte in den Hof legen oder eine Karte vom Hof und eine Karte aus der Hand auslegen. Insgesamt gibt es vier verschiedene Kartenarten, die passend zu ihren Symbolen an bestimmte Stellen des Spielplans angelegt werden dürfen. Helfer gewähren einmalige Vorteile, Stammkunden müssen vier Runden lang beliefert werden, Laufkunden werden einmalig beliefert und Marktstände erlauben den Tausch von Waren.

In der Aktionsphase können die Spieler beliebig oft und in freier Reihenfolge folgende Aktionen ausführen:

  • Waren vom Karren als Saatgut auf einem Feld aussäen
  • Waren im eigenen Laden kaufen und auf den Karren legen
  • Waren vom Karren an den eigenen Laden verkaufen
  • Marktstände nutzen
  • Helfer einsetzen
  • Stammkunden beliefern (Waren müssen auf dem Karren sein)
  • Laufkunden beliefern (Waren müssen auf dem Karren sein)
  • 2 Aktionskarten kaufen (nur einmal pro Runde möglich)

Nach Ende der Aktionsphase müssen verbliebene Waren vom Karren im Lager eingelagert werden (Lagerkapazität ist begrenzt). Danach dürfen die Spieler Schritte auf dem Wohlstandspfad erwerben. Der erste Schritt kostet immer ein Käsch, die weiteren Schritte kosten so viel, wie der Wert des nächsten Felds anzeigt. Das Spiel endet nach der neunten Runde. Der Spieler, der auf dem Wohlstandspfad am weitesten vorne steht, hat dann gewonnen.

Meinung:

Zusammen mit Agricola und Le Havre bildet Vor den Toren von Loyang die sogenannte Ernte-Trilogie. Und durchweg alle drei Spiele wissen in vollem Maße zu überzeugen. Ach was … nicht nur zu überzeugen, sondern absolut zu begeistern.

Im Gegensatz zu Agricola und Le Havre ist der geneigte Spieler beim Öffnen der Loyang-Schachtel zunächst enttäuscht. Lediglich ein paar Karten, vier kleine Spielpläne und einige Holzteile (Lebensmittel/Gemüse) befinden sich im Karton. Der Rest ist Luft. Kann dieses bisschen Material wirklich eine so große Spielfreude entfachen wie beispielsweise Agricola, wo die Schachtel bekanntermaßen propenvoll mit Material ist? Antwort: ja! Vor den Toren von Loyang reiht sich nahtlos in die fulminante Trilogie von Uwe Rosenberg ein, und dabei ist das Ganze wieder absolut eigenständig und originell geworden.

Das Spiel besitzt eine große Tiefe, die man aufgrund der eigentlich leichten Regeln gar nicht erwartet. Aber wo wir schon bei den Regeln sind, können wir gleich einen Kritikpunkt abfrühstücken. Und zwar handelt es sich dabei um die Spielanleitung, die leider ziemlich unglücklich strukturiert ist. De facto fehlt zwar keine Information, d.h. es bleiben keine Fragen offen, aber das Lesen der Anleitung ist einfach mühselig und macht keinen Spaß. Das liegt einerseits am Schreibstil des Verfassers und andererseits am Aufbau der Regel. Ständig sind Details mit Sonderfällen oder Anmerkungen eingeschoben, die den Lesefluss gewaltig stören. Eingangs wird zwar darauf hingewiesen, bestimmte Teile einfach auszulassen, aber in der Praxis funktioniert das nicht. Als erfahrener Spieler will man grundsätzlich alles wissen/lesen, und dann ist das Regelstudium einfach anstrengend. Auf der Website von H@LL Games gibt es eine (grobe) Alternativanleitung in Erzählform, die wesentlich einfacher zu lesen und zu verstehen ist. Es wäre wünschenswert gewesen, diese Spielregeln in Erzählform der Veröffentlichung ausgedruckt beizulegen.

Aber genug der Meckerei … schließlich steht der Spielspaß im Vordergrund, und dieser Spielspaß ist bei Vor den Toren von Loyang definitiv klasse. Da die Spieler in der Aktionsphase beliebig oft und in freier Reihenfolge agieren dürfen, muss das Ganze verdammt gut überlegt und strukturiert werden. Wenn Grübler am Tisch sitzen, kann sich diese Phase übrigens auch relativ lange hinziehen. Eine Spieldauer von 60 Minuten wurde bei uns nie erreicht. In der Regel dauert eine Partie Loyang eher zwischen zwei und drei Stunden. Doch diese Zeit vergeht wie im Flug, weil das Spiel so viel Spaß macht und bis zum Ende äußerst spannend bleibt. Gewöhnungsbedürftig ist die Konstellation von vier Spielern, denn in dieser Formation spielen immer zwei Paare in der Aktionsphase parallel, um ein bisschen Zeit zu gewinnen. Da gewöhnt man sich aber dran. Bei Spielern, die ähnlich stark sind, kommt es am Schluss oftmals zum Unentschieden auf dem Wohlstandspfad. In dem Fall entscheidet das Restgeld über Sieg und Niederlage.

Fazit:

Vor den Toren von Loyang ist ein absolutes Strategiehighlight für Vielspieler. Vielen Dank an H@LL Games und Pegasus, dass sie dieses Meisterwerk (verdientermaßen) neu aufgelegt haben. Wer Agricola und Le Havre mag, kann auch bei Loyang bedenkenlos zuschlagen.

Dienstag, 20. Dezember 2016

Chariot Race



Verlag: Pegasus
Autor: Matt Leacock
Spieleranzahl: 2 - 6
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 30 - 40 Minuten


Einleitung:

Zusammen mit Gladiatorenkämpfen waren Wagenrennen die größten Publikumsmagneten im alten Rom. Bei diesen Rennen lag eine ungeheuere Spannung in der Luft, und auch eine latente Aggressivität war allgegenwärtig spürbar. Wer seine Pferde zu sehr antreibt geht Gefahr, in einer Kurve zu zerschellen, und dann gibt es schließlich noch unfeinere Mittel wie Speere und Krähenfüße, um die Gegner zu schädigen.

Ablauf:

Zunächst wird der Spielplan in die Mitte gelegt, und jeder Spieler erhält eine Streitwagentafel, die mit den Standard-Anfangswerten für Schaden, Geschwindigkeit und Schicksal eingestellt wird. Die Startpositionen werden ausgelost und schon kann es losgehen.

Zu Beginn seines Spielzugs darf der aktive Spieler bis zu drei Schadenspunkte an seinem Gefährt reparieren. Dazu muss er genau drei Punkte „Fortunas Gunst“ abgeben (auf der Schicksalsleiste abtragen). Anschließend muss ggf. die Startgeschwindigkeit angepasst werden, denn die Geschwindigkeit darf niemals höher sein als der Schadenswert auf der Schadensleiste. Abhängig von der aktuellen Geschwindigkeit würfelt der Spieler dann mit fünf, vier, drei, zwei oder einem Würfel. Die Würfel zeigen verschiedene Symbole:

  • Geschwindigkeit einen Punkt erhöhen oder verringern
  • Zwei Geschwindigkeitspunkte hinzuzählen und einen Schaden erleiden
  • Die Spur wechseln
  • Fortunas Gunst erhalten
  • Einen Gegner angreifen

Nach Belieben darf der Spieler beliebig viele Würfel einmal erneut werfen. Weitere Würfe oder Würfelmodifikationen kosten zwei Punkte auf der Schicksalsleiste. Nun wird der Würfelwurf ausgewertet. Für Fortunas Gunst Symbole darf der Spieler entsprechend viele Schritte auf der Schicksalsleiste vorziehen. Anschließend wird der Streitwagen bewegt (abhängig von der Geschwindigkeit). In den Kurven herrscht ein Tempolimit. Für jeden Geschwindigkeitspunkt über dem erlaubten Wert erhält der aktive Spieler einen Schaden. Kommt es zu einer Kollision von zwei Spielern (=Rammen) erhalten beide beteiligten Spieler zwei Schadenspunkte. Last not least kann der aktive Spieler noch einen Angriff ausführen, wenn er ein Angriffssymbol gewürfelt hat. Dazu lässt er entweder einen Krähenfuß hinter sich zurück oder er wirft einen Speer auf einen Konkurrenten in Reichweite. Sinkt der Schadenswert eines Spielers auf Null, scheidet er sofort aus.

Das Spiel endet, sobald der Parcours zum zweiten Mal umrundet wurde. Der Spieler, der der diese Strecke als erster bewältigt hat, gewinnt das Spiel.

Meinung:

Chariot Race ist ein klassisches Familienspiel, dessen Mechanismen leichte Ähnlichkeiten mit Formula D aufweisen. Aber im Gegensatz zum Asmodee Rennspiel ist Chariot Race thematisch im alten Rom angesiedelt, und das ist mal richtig cool. Die Römer haben halt noch gewusst, wie man richtig feiert, grins ;-)

Gemäß der angesprochenen Klientel ist Chariot Race leicht zugänglich und bietet kurzweilige sowie spannende Unterhaltung. Rennspiele haben Kinder und Eltern schon immer fasziniert, und Chariot Race gehört sogar zu den besseren Vertretern dieses Genres. Ein Grund dafür ist sicherlich der Ärgerfaktor in Form von Krähenfüßen und Speerwürfen. Nicht zu vergessen das Rammen, das durchaus den ein oder anderen Spieler eliminiert. Denn Schäden am Gefährt bleiben im Laufe des Spiels definitiv nicht aus, und wenn man erstmal im unteren Bereich der Schadensleiste rumkrebst, ist man ein beliebtes Opfer zum Rammen. Dann spielt es auch keine Rolle, dass der rammende Spieler selbst zwei Schadenspunkte hinnehmen muss. Hauptsache, ein Konkurrent ist rausgekickt, und Schadenfreude ist nun mal die schönste Freude. Und seien wir doch mal ehrlich – wenn ein Sprössling Mama oder Papa rausschmeißt und deshalb über beide Backen grinst, dann kann man dem Kleinen doch gar nicht böse sein :-)

Und das ist auch gleichzeitig eine Überleitung zum wichtigsten Faktor des Spiels, nämlich dem Spielspaß. Chariot Race macht durchaus Spaß, und das für jung und alt. Und je mehr Mitspieler mitspielen, desto größer ist der Spaß. Das Spiel macht mit zunehmender Spielerzahl immer mehr Fun, weil das Rennen dann so richtig schön chaotisch wird (vor allem auf der B-Seite des Spielplans mit den Steinhaufen). Zu zwei entfacht das Spiel keinen Begeisterungsfunken, aber ab vier Spielern geht es richtig ab (zu fünft oder sechst ist es sogar noch lustiger … zumindest dann, wenn man nicht frühzeitig ausscheidet, lach).

Chariot Race ist zwar nicht gerade ein Kandidat für einen Schönheitswettbewerb, aber für den Preis kann sich das Ganze wahrlich sehen lassen. Bei 15 bis 18 Euro ist das Preis-Leistungsverhältnis top, und wer als Familie ein Rennspiel mit Ärgerpotential sucht, kann hier sicherlich zugreifen.

Fazit:

Natürlich ist Chariot Race kein abendfüllendes Vielspielerhighlight. Das ist auch gar nicht die Intention des Spiels. Chariot Race will einfach ein gutes und unterhaltsames Familienspiel sein, und genau das ist es auch.

Dienstag, 13. Dezember 2016

Jorvik



Verlag: Eggertspiele / Pegasus
Autor: Stefan Feld
Spieleranzahl: 2 - 5
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 45 - 90 Minuten


Einleitung:

In Jorvik leiten zwei bis fünf Spieler die Geschicke ihres jeweiligen Wikingerstamms, der sich im Norden von England niedergelassen hat. Der Handel mit Waren spielt eine entscheidende Rolle, um die meisten Siegpunkte zu ergattern, aber auch kriegerische Werte sind von großer Wichtigkeit, um den Stamm vor den Angriffen der Pikten zu verteidigen.

Ablauf:

Zunächst einigen sich die Spieler, ob sie das Karl- oder das Jarl-Spiel spielen wollen. Die Jarl-Variante ist die Fortgeschrittenenoption, während bei Karl diverse Elemente ausgelassen werden. In dieser Rezension wird das Jarl-Spiel vorgestellt.

Der Spielplan wird in die Mitte gelegt und jeder Spieler erhält ein Spielertableau und vier Wikingerfiguren sowie fünf Münzen als Startkapital. Die Waren werden in den Beutel gelegt. Anschließend wird ein Kartendeck gebildet. Von diesem gemeinsamen Deck werden zu Beginn einer Runde Karten gezogen und offen auf die Kartenfelder des Spielplans gelegt. Schiffskarten werden dabei mit zufällig gezogenen Waren aus dem Stoffbeutel bestückt.

Die Kartenfelder 1-6 besitzen jeweils eine Nachfragereihe. Der aktive Spieler muss seine Figur immer auf das oberste Feld setzen, wenn er die Karte später kaufen möchte. Seine Konkurrenten (und auch er selbst) können weitere Figuren unter die zuletzt platzierte Wikingerfigur setzen. In der folgenden Kaufphase hat der erste Spieler dann das Vorkaufsrecht. Der Preis richtet sich nach der Anzahl aller gesetzten Figuren einer Reihe. Verzichtet der Spieler, nimmt er seine Figur weg und der Preis wird für den folgenden Spieler günstiger.

Ähnlich funktionieren die Kartenfelder 7-12. Dort können die Spieler eine Karte reservieren und müssen sie links auf das erste freie Reservierungsfeld platzieren. Der Preis der ersten Karten richtet sich nach der Anzahl aller reservierten Karten und wird analog der Felder 1-6 immer günstiger, wenn ein Spieler seine Karte nicht kaufen will oder aus Geldmangel nicht kaufen kann.

Es gibt unterschiedliche Typen von Karten. Handwerker produzieren Geld oder Siegpunkte. Doch zuerst müssen sie mit den geforderten Waren beliefert werden, die wiederum von den Schiffskarten stammen. Wird eine Karte „Angriff der Pikten“ gezogen, überprüfen die Spieler ihre Kriegerkarten bzw. ihre Kriegswerte. Der Spieler mit dem höchsten Kriegswert erhält Siegpunkte, während der schwächste Spieler Punkte abgezogen bekommt. Das Spiel endet zu Beginn der Angebotsphase, in der die finale „Angriff der Pikten“ Karte die einzig verbliebene Karte im Kartendeck ist. Dieser Angriff wird zunächst nach den üblichen Regeln abgewickelt, und dann folgt die finale Wertung, in der die Spieler ihre Kartenauslage auswerten. Der Spieler mit den meisten Punkten hat dann gewonnen.

Meinung:

Jorvik ist eine Neuauflage von Stefan Felds Speicherstadt (inkl. Kaispeicher-Erweiterung), allerdings wurde das Thema des Spiels geändert. Und das ist auch gut so, denn Wikinger sind einfach cooler als gediegene Händler in der heimischen Hansestadt Hamburg ;-)

Wer ein halbwegs erfahrener Spieler ist, kann sicherlich sofort mit der Jarl-Variante anfangen. Die Karl-Variante eignet sich primär für Gelegenheitsspieler, die erst einmal in Jorvik reinkommen wollen und sich später zur Fortgeschrittenen-Version empor arbeiten wollen. Aber besonders kompliziert ist das Ganze nicht. Der Clou ist der clevere Versteigerungsmechanismus, bei dem es auch darauf ankommt, die Mitspieler richtig einzuschätzen. Als Startspieler hat man zwar das Vorkaufsrecht bzw. kann man die vermeintlich beste Karte der Felder 7-12 reservieren, aber es ist nicht sicher, ob man diese Karte auch wirklich bekommt. Sitzen zu viele Konkurrenten in der Reihe, wird die Karte schlichtweg zu teuer, und Geld ist das ultimative Mangelelement im Spiel. Da hilft auch das obligatorische Rundeneinkommen in Höhe von einer einzigen lausigen Münze nicht viel. Ähnlich wie bei einem bekannten Werbeslogan gilt auch hier das Motto „Geiz ist geil“ :-)

Das A und O des Spiels ist eine funktionierende Balance aus Handwerkern, Schiffen und Kriegerkarten in der eigenen Auslage. Wobei Raubzugkarten und Gelagekarten auch äußerst beliebt sind, denn diese bringen in der Schlusswertung einfache Siegpunkte (denn im Gegensatz zu den Handwerkern sind  hier keine Waren erforderlich). Um finanziell halbwegs flüssig zu bleiben lohnt sich außerdem der Kauf von Händlerkarten, die bestimmte Waren für dringend benötigte Münzen verkaufen. Ebenfalls wichtig ist das Lagerhaus, welches vier zusätzliche Lagerplätze bietet. Nichts ist schlimmer, als eine Schiffsladung zu ergattern und dann die Hälfte der Waren aufgrund fehlender Handwerker oder fehlender Händler wegschmeißen zu müssen. In solchen Fällen ist das Lagerhaus Gold wert.

Wie sieht es alles in allem mit dem Spielspaß aus? Gut schaut´s aus. Jorvik ist ein gelungenes Versteigerungs- und Optimierspiel, das mit übersichtlichen Regeln sowohl Vielspieler als auch ambitionierte Gelegenheitsspieler anspricht. Als Vielspieler darf man nur nicht den Fehler machen, ein hochkomplexes Strategiehighlight zu erwarten. Denn in die Kerbe von Great Western Trail oder Mombasa schlägt Jorvik definitiv nicht. Jorvik ist solide, macht Spaß und weiß insgesamt absolut zu gefallen, doch ein Meilenstein wie die genannten Great Western Trail, Mombasa oder auch Terra Mystica ist das Ganze sicher nicht. Diesen Anspruch hat das Spiel auch gar nicht. Jorvik will kurzweiliges Strategie-Taktik-Flair bieten, und dieses Ziel wird voll und ganz erfüllt.

Fazit:

Wer ein Freund von Strategiespielen auf mittlerem Niveau ist, kommt mit Jorvik sicherlich auf seine Kosten,. Das Spiel macht Spaß, hat eine gewisse Tiefe und einen interessanten Versteigerungsmechanismus, der zusammen mit der Interaktion beim Figuren-Einsetzen für ordentliche Spannung sorgt. Wer sich von diesen Faktoren angesprochen fühlt, sollte Jorvik durchaus mal anspielen.

Freitag, 2. Dezember 2016

Glück Auf - Das Grosse Kartenspiel



Verlag: Eggertspiele / Pegasus
Autor: Wolfgang Kramer / Michael Kiesling
Spieleranzahl: 2 - 4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 50 - 80 Minuten


Einleitung:

Genau wie der große Bruder Glück Auf (das Brettspiel) ist auch Glück Auf – Das Grosse Kartenspiel im Ruhrpott des 19. Jahrhunderts angesiedelt. Mit Loren wird das schwarze Gold auf Waggons verladen, die mit Lokomotiven ausgeliefert werden. Wer erfüllt die wertvollsten Aufträge und bessert diese zusätzlich mit passenden Anteilen und Geschäftzielen auf?

Ablauf:

Zunächst werden die Karten ihrer Funktion entsprechend aufgeteilt und als verschiedene Auslagen in die Mitte gelegt. Als Kartentypen gibt es Lorenkarten, Waggonkarten, Lokkarten, Auftragskarten, Anteilskarten, Innovationskarten und Aktionskarten.

Jeder Spieler erhält eine Spielerablage und die Arbeiterkarten seiner Farbe. Spielerzahlabhängig verläuft Glück Auf – Das Grosse Kartenspiel über 5, 6 oder 7 Runden. Der aktive Spieler wählt einen Kartenstapel oder eine Aktionskarte aus und platziert eine seiner Arbeiterkarten unter bzw. über den gewählten Stapel. Dabei ist zu beachten, dass die nächsten Arbeiterkarten dieses Stapels immer genau einen Arbeiter mehr erfordern als zuvor gelegt. Überzahlungen sind nicht erlaubt. Folgende Arbeiteraktionen stehen den Spielern zu Verfügung:

  • Eine oberste Lorenkarte nehmen. Diese wird dann an die linke Seite der Spielerablage gelegt (=Förderreihe)
  • Eine oberste Waggonkarte nehmen. Beim Anlegen der Karte an eine rechte Leiste der Spielerablage (= 3 Gleise) ist das Wappen des genommenen Waggons zu beachten, denn diese Wappen geben vor, an welche Gleise die Karte angelegt werden darf
  • Die oberste Lokkarte nehmen. Diese wird rechts an bereits ausliegende Waggons angelegt
  • Die oberste Auftragskarte nehmen. Diese wird zunächst auf die Hand genommen, bis sie über die Aktion „Ausliefern“ verwendet werden kann
  • Die oberste Anteilskarte nehmen. Diese wird offen vor dem Besitzer abgelegt
  • Die oberste Innovationskarte nehmen. Innovationskarten werden auf die Hand genommen und können zu einem beliebigen Zeitpunkt als zusätzliche Aktion ausgespielt werden
  • Die oberste Geschäftszielkarte nehmen. Genau wie die Anteilskarten werden auch Geschäftszielkarten offen vor dem Besitzer abgelegt
  • Eine Aktionskarte „Fördern“ nutzen. Das erlaubt die Zuweisung von Loren zu Waggons (Wappen beachten)
  • Die Aktionskarte „Ausliefern“ nutzen. Nun wird eine passende Auftragskarte einem Gleis zugewiesen. Das Gleis wird komplett geräumt (Lok inkl. Waggons mit zugewiesenen Loren). Dafür erhält der Spieler Siegpunkte bei Spielende
  • Die Aktionskarte „Freie Wahl“ nutzen. Erlaubt eine der bereits beschriebenen Aktionen (z.B. Lok nehmen, Auftrag nehmen etc.)

Nach der letzen Runde erfolgt die Schlusswertung. Die Spieler erhalten Siegpunkte für erfüllte Aufträge, bestimmte Lorenkarten, zugewiesenen Anteilskarten, Schichtmarkern und Geschäftszielkarten. Der Spieler mit den meisten Punkten hat dann gewonnen.

Meinung:

Glück Auf – Das Grosse Kartenspiel trägt seinen Namen wahrlich zu Recht, denn diese Veröffentlichung ist in der Tat richtig groß geworden. Unter einem Kartenspiel stellen sich die meisten Spieler ein überschaubares Konstrukt vor, das in erster Linie handlich ist und wenig Platz benötigt. Nicht so Glück Auf – Das Grosse Kartenspiel. Obwohl es sich – wie der Name schon sagt – um ein Kartenspiel handelt, hat das Ganze den Charakter eines großen Brettspiels. Für die üppige Auslage in Verbindung mit den Spielerablagen ist auch ziemlich viel Platz erforderlich, was das erwähnte Brettspielflair unterstreicht.

Aber bereitet Glück Auf – Das Grosse Kartenspiel genau soviel Spaß wie ein „richtiges“ Brettspiel? Ja, definitiv! Obwohl das Spiel thematisch natürlich am großen Bruder ansetzt, sind die Mechanismen durchaus eigenständig und auf keinen Fall ein bloßes Plagiat in Kartenform. Die Zuweisung der Wappen-Waggons in Verbindung mit den dazu passenden Loren ist hervorragend konzipiert und sorgt zusammen mit den anderen Auswahlmöglichkeiten für eine anspruchsvolle Tiefe, die die Einstufung als Kennerspiel absolut rechtfertigt. Dennoch ist das Ganze nicht unnötig verkompliziert, sondern auf einem gesunden und nachvollziehbaren Niveau angesiedelt. Neben Vielspielern spricht Glück Auf – Das Grosse Kartenspiel auch ambitionierte Gelegenheitsspieler an, sobald diese sich an die Kartenvielfalt gewöhnt haben.

Der Spielspaß ist klasse und steht dem Glück Auf Brettspiel in nichts nach. Eine gut ausgetüftelte Strategie ist vonnöten, um eine realistische Chance auf den Sieg zu haben. Gleichzeitig müssen die Spieler darauf achten, ihre Arbeiterkarten möglichst optimal einzusetzen, was mit zunehmender Spielerzahl immer schwieriger wird. Je mehr Spieler, desto größer ist die Konkurrenz an den einzelnen Stapeln, und desto geiler ist der Spielspaß.

Natürlich soll in einer Rezension nicht gespoilert werden, aber ein Tipp sei trotzdem erlaubt: Die Innovationskarte „1-4 mal Fördern“ ist bockstark und sollte nach Möglichkeit immer vorrangig genommen werden. Liegt jedoch ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt eine Loren- oder Waggonkarte aus, die man dringend braucht, muss der aktive Spieler halt abwägen, was gerade wichtiger für ihn ist. Und was weniger Arbeiterkarten kostet. Die Vielfalt der Überlegungen ist hervorragend ausbalanciert und sorgt auch für einen hohen Wiederspielreiz.

Aber das Beste von allem ist der günstige Preis. Wie gesagt hat Glück Auf – Das Grosse Kartenspiel die Klasse und das Flair eines „richtigen“ Brettspiels, aber angeboten wird das Ganze zum Preis eines Kartenspiels. Ein günstiges Angebot in Höhe von ungefähr 15 Euro ist nicht zu toppen.

Fazit:

Viel Spaß für wenig Geld. Glück Auf – Das Grosse Kartenspiel hat ein phänomenales Preis-Leistungsverhältnis, das selbstverständlich eine bedenkenlose Weiterempfehlung wert ist. Glückwunsch an eggertspiele / Pegasus zu dieser gelungenen Veröffentlichung und Danke für die spielerfreundliche Preisgestaltung.