Donnerstag, 28. Januar 2016

German Railroads



Verlag: Hans im Glück
Autor: Helmut Ohley / Leonhard Orgler
Spieleranzahl: 2 - 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 120 Minuten


Einleitung:

German Railroads ist die sehnlich erwartete Erweiterung zum Vielspieler-Liebling Russian Railroads, das bereits jetzt schon zu den Alltime-Faves vieler Strategiespiel-Experten zählt. Neben neuem Spielmaterial (Ingenieure, ?-Plättchen etc.) und einer Solovariante sind die Deutschlandkarte und das Kohle-Modul die beiden zentralen Neuerungen, die frischen Wind in das Basis-Brettspielhighlight bringen.

Ablauf:

Die beiden Module Deutschland und Kohle sind die großen neuen Elemente, die nur zusammen mit dem Grundspiel Russian Railroads spielbar sind. Die Hauptänderung des Deutschland-Moduls liegt im neuen Deutschlandtableau, das mit München, Dresden und Nürnberg-Fürth drei ausbaufähige Strecken beinhaltet.

Auf der Hauptstrecke (München) befindet sich eine Weiche. Ab dem neunten Streckenabschnitt müssen sich die Spieler entscheiden, ob sie in Richtung Hamburg oder nach Berlin weiterbauen wollen. Die Hamburger Strecke ist etwas länger, doch dafür gewährt sie dem Spieler am Ende ein weißes Gleis, das sofort zwei Gleisbewegungen gerückt werden darf. Auf den Nebenstrecken Dresden und Nürnberg-Fürth können die Spieler bei Erreichen von bestimmten Punkten selbst entscheiden, welche Streckenausbauten sie auf die Strecke legen wollen. Die auswählbaren Streckenausbauten gewähren verschiedene Vorteile, z.B. einen neuen Arbeiter, zusätzliche Siegpunkte, ?-Plättchen oder einen Einkommensmarker, der einmal pro Runde für diverse Boni eingesetzt werden kann.

Beim Kohle-Modul wird ein Kohle-Tableau auf den Hauptplan platziert. In diesem Modul wird der Rohstoff Kohle (repräsentiert durch Kohle-Loren) eingeführt. Die Spieler starten bereits mit einer Kohle und können weitere Ressourcen dieser Art über die Aktionsfelder des Kohle-Tableaus erhalten. Aktionen mit Kohle sind in der Regel zusätzliche Optionen, die vor oder nach einer regulären Aktion genutzt werden können. Mit Kohle lassen sich sowohl Gießereien als auch Heizer kaufen. Ein Heizer verstärkt eine Lokomotive oder eine Fabrik. Gießereien hingegen lassen sich abermals mit Kohle aktivieren und bieten verschiedene Boni wie Gleisbewegungen, Schritte mit dem Industriemarker, Münzen, Verdoppler usw. Nach Nutzung einer Gießerei kann der Spieler die Gießerei schließen. Dann dreht er das Plättchen um und ordnet die Rückseite als Heizer einer ausliegenden Lok oder einer Fabrik zu.

Um Russian Railroads bzw. German Railroads allein spielen zu können liegt der Erweiterung eine Solo-Variante bei. Hierzu wird für den fiktiven Mitspieler Emil eine Karte vom verdeckten Stapel umgedreht. Das entsprechende Aktionsfeld wird dann von Emils Figuren blockiert. Bei der Auswertung bekommt Emil keine Punkte. Der Solospieler notiert sich lediglich sein Ergebnis und versucht dann, in späteren Solospielen dieses Resultat zu verbessern. Neben den Karten zur Solo-Variante liegen der Erweiterung noch fünf neue Ingenieure, neue ?-Plättchen, eine neue Fabrik und ein neuer Aufwerter bei.

Meinung:

Super! Großartig! Geil! Bereits Russian Railroads als Basisspiel hat sich als absolute Weltklasse etabliert, und German Railroads ist eine absolut würdige und hervorragende Erweiterung, die mit den Deutschland- und Kohle-Modulen neue Elemente einführt, ohne das Gesamtkonzept groß zu verändern.

Der Verlag empfiehlt dringend, zunächst einmal das Deutschland-Modul ohne Kohle zu spielen, und dieser Empfehlung kann zwecks leichteren Einsteig durchaus beigepflichtet werden. Die Deutschland-Variante (ohne Kohle) ist nicht viel komplexer als das Basisspiel, doch durch die variablen Streckenausbauten auf den Nebenstrecken wird das Ganze individueller als das Grundspiel. Wer zuerst kommt mahlt zuerst, und dementsprechend kann der erste Spieler sich den (vermeintlich) besten Streckenausbau auswählen. Im Großen und Ganzen sind aber alle Ausbauten ähnlich stark, so dass sich eine Fokussierung auf ein bestimmtes Plättchen in der Regel kaum lohnt.

Es empfiehlt sich allerdings das frühzeitige Nehmen einer Lokomotive, um diese an die Nürnberg-Strecke zu legen. Fünf Punkte sind fünf Punkte, und hochgerechnet über sechs Runden ergibt das immerhin stolze 30 Siegpunkte. Je nach ausliegenden Ingenieuren kann sich aber auch die Münchner Hauptstrecke nach Hamburg lohnen. Diese Strecke entspricht in etwa der Trans-Sib-Strategie von Russian Railroads, welche ja nicht selten zum Sieg führt. German Railroads relativiert die Wichtigkeit der 9er Lok, die im Grundspiel meistens zum Erfolg geführt hat. Grund für die Relativierung sind die ausgeglichenen und ausbalancierten Strecken, die ein frühzeitiges Absetzen kaum ermöglichen.

Etwas komplexer und noch abwechslungsreicher geht es dann beim Kohle-Modul zu. Natürlich steht es den Spieler frei, ohne größeren Kohle-Einsatz zu agieren, aber dann ist ein Misserfolg oftmals vorprogrammiert. Bei den Gießereien sind die Wertigkeiten unterschiedlich stark, bzw. sind für verschiedene Strategien unterschiedlich geeignet. Wer beispielsweise auf die Hauptstrecke geht und möglichst früh die weißen Gleise freischaltet, ist mit zwei beliebigen Gleisschritten sicherlich gut bedient. Die Heizer wurden in den Testrunden nicht ganz so wichtig angesehen, aber natürlich kann je nach Gegebenheit auch eine einzige Streckenweite entscheidend sein, um zusätzliche Siegpunkte zu ergattern. Auf jeden Fall ist das Kohle-Modul eine Bereicherung für Russian Railroads und dürfte die Herzen aller Railroad Fans im Sturm erobern.

Nicht ganz so euphorisch ist die Solo-Variante mit dem fiktiven Mitspieler Emil zu beurteilen. Der Glücksfaktor beim Umdrehen der Karten ist relativ groß, und generell macht das Messen mit menschlichen Gegnern einfach mehr Spaß als ein Solospiel, bei dem es eh nur darum geht, den eigenen Highscore in die Höhe zu treiben.

Alles in allem ist German Railroads ein echter Volltreffer geworden, der sowohl mit Deutschland- als auch Kohle-Modul hundertprozentig zu gefallen weiß. Selbstverständlich können die Module beliebig kombiniert werden, so dass dem Abwechslungsreichtum keine Grenzen gesetzt sind. Tolle Veröffentlichung!

Fazit:

Europa ist groß, und die Welt ist noch größer. Somit bleibt zu hoffen, dass das Autorenduo Helmut Ohley / Leonhard Orgler in Zukunft noch viele weitere Erweiterungen austüfteln, damit die Fans künftig in den Genuss von French Railroads, American Railroads, British Railroads etc. kommen. German Railroads ist auf jeden Fall eine großartige Erweiterung geworden, die richtiggehend süchtig macht. Super-megageil. Mehr davon!

Dienstag, 19. Januar 2016

Seasons



Verlag: Libellud / Asmodee
Autor: Régis Bonnessée
Spieleranzahl: 2 - 4
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: ca. 60 Minuten


Einleitung:

Die mächtigsten Zauberer des Königreichs messen sich in einem Turnier der vier Jahreszeiten. Wer seine Karten am besten einsetzt, wird neuer Erzmagier von Xidit.

Ablauf:

Zunächst wird das benötigte Material (Spielplan, Kristalltafel, Würfel usw.) in die Tischmitte platziert. Anschließend erhält jeder Spieler ein Kartenset aus neun Karten. Diese Sets können gemäß dem Vorschlag der Spielanleitung verteilt werden oder in 7 Wonders Manier sukzessive durch Weitergabe an den Nachbarn ausgewählt werden. Jetzt muss jeder Spieler seine neun Karten in drei Stapel aufteilen, also ein Package von 3x3 Karten bilden. Seasons verläuft nämlich über drei Jahre à vier Jahreszeiten. Für jedes Jahr wird ein Dreier-Kartendeck markiert.

Seasons beginnt im Januar des ersten Zeitalters. Da der Januar im Winter liegt, werden die Winterwürfel geworfen. Beginnend mit dem Startspieler sucht sich jeder reihum einen Würfel aus und legt ihn auf seine Spielertafel. Der Würfel gibt an, welche Dinge der Spieler dafür erhält (z.B. Energie, Wissen, Kristalle). Sofern ein Spieler über genügend Wissen auf der Beschwörungsleiste verfügt, kann er ein oder sogar mehrere seiner Handkarten ausspielen, in dem er die erforderlichen Kosten bezahlt. Die Kosten für das Ausspielen einer Karte sind immer Energieplättchen (Feuer, Wasser, Erde, Luft). Die ausgespielten Karten bringen entweder einen einmaligen Sofortvorteil oder beinhalten permanente Effekte, die unter bestimmten Bedingungen eintreten (z.B. bei einem Jahreszeitenwechsel). Weiterhin ist jede ausgespielte Karte am Ende noch die Anzahl von Siegpunkten wert, die in der linken oberen Ecke vermerkt sind.

Ein Spieler kann dreimal pro Partie eine Bonusaktion durchführen, allerdings wird er dafür mit Minuspunkten bestraft. Jede nicht ausgespielte Handkarte bringt am Schluss fünf Minuspunkte ein. Das Spiel endet, sobald die Jahresanzeige des dritten Zeitalters durchlaufen ist. Nun werden die Siegpunkte der Karten und die Siegpunktanzahl der Kristalle addiert und ggf. ein Malus für genutzte Boni abgezogen. Der Spieler mit den meisten Punkten hat dann gewonnen.

Meinung:

Mit 7 Wonders und Libertalia hat Asmodee bereits zwei hochklassige Kartenspiele mit Brettspielcharakter im Programm, und Seasons kann an diese Klasse nahtlos anschließen. Obwohl die Spielregel 16 Seiten umfasst ist der Mechanismus schnell verstanden, zumal die Anleitung hervorragend geschrieben ist und mit einigen Beispielen keine Fragen offen lässt. Lobenswert ist auch die Tatsache, dass die Einsteigersets vorgegeben sind. Damit fällt es Anfängern relativ leicht in das Spiel einzusteigen. Und wenn sie nach einigen Partien zu fortgeschrittenen Spielern aufgestiegen sind, können sie in 7 Wonders Manier ihr Deck selber zusammenstellen. Klasse durchdacht und super umgesetzt!

Demzufolge ist auch der Wiederspielreiz sehr hoch, da die Kartendecks schließlich immer unterschiedlich sind und sich als Konsequenz verschiedene Strategien anbieten. Da die Karten ein Kernelement des Spiels sind, empfehlen sich vor allem im ersten Zeitalter Karten mit Permanenteffekt. Generell sollten natürlich immer Konstellationen bevorzugt werden, die in Wechselwirkung agieren und ein optimales Ergebnis bringen. Dazu gehört übrigens auch, den Gegnern mit destruktiven Angriffskarten kräftig eins überzuziehen, grins. Lange Rede, kurzer Sinn: sobald man die Mechanismen von Seasons verinnerlicht hat, bekommt man ein super Spiel geboten, das jedem Vielspieler und auch ambitionierten Gelegenheitsspielern ans Herz gelegt werden kann. In den ersten ein bis zwei Partien ist der Gesamteindruck vielleicht noch ein bisschen verwirrend, aber keine Angst … spätestens im dritten Spiel sind sämtliche Unsicherheiten verfolgen und Seasons spielt sich absolut flüssig. Die Spielregel wird dann eigentlich nur noch für die Erläuterungen der Kartentexte benötigt.

Der Glücksfaktor ist gering, aber natürlich kann Fortuna nicht völlig ausgeschlossen werden. Denn was nutzen die besten ausgesuchten Handkarten, wenn die Würfel einfach nicht die benötigten Energien zum Beschwören zeigen. Last not least noch eine Anmerkung zur Optik. Sowohl die Illustration als auch die gesamte Aufmachung von Seasons sind klasse. Das Spiel ist schlichtweg ein Augenschmaus und in Verbindung mit dem großartigen Spielspaß kann Seasons jedem Interessenten bedingungslos weiterempfohlen werden.

Fazit:

Wer schon Spiele wie Libertalia, Brügge, 7 Wonders oder Sankt Petersburg zu seinen Favoriten zählt, kann hier bedenkenlos zugreifen. Tolles Spiel!

Samstag, 9. Januar 2016

Die Alchemisten



Verlag: Czech Games / Heidelberger Spieleverlag
Autor: Matius Kotry
Spieleranzahl: 2 - 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 120 Minuten


Einleitung:

Nicht nur in den Kellergewölben von Hogwarths werden Zaubertränke gebraut – auch im Brettspiel Die Alchemisten ist die Zubereitung solcher Tränke ein wichtiger Faktor. Denn in diesem Spiel schlüpfen die Spieler in die Rollen von Alchemisten, die auf dem Gebiet dieser geheimnisvollen Wissenschaft um bahnbrechende Entdeckungen und um die Vorherrschaft des Wissens wetteifern. Mit Hilfe einer App schlussfolgern die Nachwuchsmagier, wie man mit zwei Zutaten einen gewünschten Trank braut, um danach Theorien aufzustellen, damit die eigene Reputation steigt.

Ablauf:

Bevor das eigentliche Spiel beginnt, sollten sich die Spieler zunächst mit den Grundlagen der Alchemie und dem Handling der App vertraut machen. Die App kann im Internet kostenlos heruntergeladen werden und übernimmt die Rolle eines Spielleiters. Alternativ kann Die Alchemisten auch ohne App gespielt werden. In diesem Fall muss ein neutraler Außenstehender die Funktion des Spielleiters übernehmen. Nachdem die Spieler die ersten Schritte auf dem Gebiet der Alchemie gemacht haben (indem sie im Demo-Modus Tränke gebraut und Rückschlüsse gezogen haben), kann es losgehen.

Der Spielplan wird in die Mitte gelegt und mit allen benötigten Utensilien bestückt. Anschließend erhalten die Spieler eine eigene Spieler-Tafel, zwei Gold und zwei bis drei Zutatenkarten (abhängig von der gespielten Variante: Lehrling oder Meister). Außerdem bekommt jeder Spieler einen Kupferkessel und ein eigenes Labor, das zunächst zusammengebaut werden muss. Die Spieler legen nun die Spielerreihenfolge fest, indem sie ihre Phiolen auf eine Einsetzleiste stellen. Abhängig von der Position auf dieser Leiste ziehen die Spieler Zutaten- und Helferkarten. Danach legen sie ihre Aktionen fest.

Als Aktionen stehen dem Spieler folgende Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung: Zutaten sammeln, Zutat transmutieren, Artefakt kaufen und Experimente durchführen. Ab der zweiten Runde kommen noch die Optionen Trank verkaufen, Theorie publizieren und Theorie widerlegen hinzu. Angezeigt werden die Aktionen durch den Einsatz von Würfeln (die quasi Arbeitern entsprechen). Viele Aktionen werden über die App abgehandelt, z.B. das Experimentieren mit Zutaten. Hierbei scannt der Spieler geheim zwei seiner Zutaten und zeigt seinen Mitstreitern das Ergebnis (aber nicht die verwendeten Zutaten!). Auf seiner Schlussfolgerungstabelle markiert der Spieler nun mit einem Marker die Farbe und Kennzeichnung des gebrauten Tranks (z.B. ein rotes +, was einem Heiltrank entspricht). Experimente können sowohl an Studenten als auch an sich selbst durchgeführt werden. Sollten jedoch Gifte oder sonstige abschlägige Tränke geschluckt werden, hat das negative Folgen zur Konsequenz. Studenten müssen ggf. bezahlt werden, aber dafür sind die Spieler vor Wahnsinn, Lähmung usw. geschützt. Um den eigenen Ruf bzw. die eigene Reputation zu verbessern, können die Spieler aufgrund ihrer Schlussfolgerungen auch Theorien publizieren, unterstützen oder widerlegen. Dabei werden Siegel auf die Bücherfelder der Theorien-Tafel platziert. Platzierte Siegel sind Voraussetzungen für den Erhalt von Drittmittel, die am Ende des Spiels 1-2 Siegpunkte wert sind und einmalig zwei Gold einbringen.

Am Ende einer Runde wird anhand der Siegel der Alchemist des Monats ermittelt und der nächste Durchgang vorbereitet. Das Spiel endet nach der sechsten Runde. Nun werden alle Rufpunkte in Siegpunkte umgewandelt und sonstige Siegpunkte addiert. Der Spieler mit den meisten Punkten hat dann gewonnen.

Meinung:

Großartig! Mit den Alchemisten ist Czech Games bzw. dem Heidelberger Spieleverlag ein wahrhaft innovatives, spannendes, humorvolles und anspruchsvolles Brettspiel mit Smartphone-Unterstützung gelungen, wie man es in der Form bislang nicht gekannt hat. Doch vor dem Vergnügen kommt die Arbeit. Und zwar in Form des Regelstudiums bzw. des Erklärens. Die Anleitung ist ausgezeichnet konzipiert, verständlich geschrieben und mit viel Humor gewürzt. Besser geht es nicht. Trotzdem sind es nun mal 20 Seiten, die man sich erstmal draufziehen muss. Und die Regeldetails sind äußert vielfältig. Selbstverständlich konnte in der Ablaufbeschreibung nicht auf alle Feinheiten eingegangen werden, weil eine ellenlange Regelschilderung zum einen den Rahmen einer Rezension sprengt und zum anderen ermüdend-langweilig ist. Also lieber kurz die Kernmechanismen schildern, und wer Interesse hat, kann sich die Regeln ja komplett runterladen. Aber diese Vorgehensweise funktioniert nicht beim Erklären eines Spiels in einer Spielergruppe. Hier müssen schon alle Facetten erläutert werden, und im Fall von Die Alchemisten dauert das seine Zeit. Eine halbe Stunde sollte für die Erklärung mindestens eingeplant werden, wenn die Mitstreiter das Spiel noch nicht kennen. Bei vielen Nachfragen kann die Vorstellung sogar 45 Minuten dauern, wobei da der Smartphone-Einsatz schon eingerechnet ist.

Haben sich die Spieler aber erstmal durch das Regelwerk durchgeackert, werden sie mit einem tollen Brettspiel belohnt, das unglaublich viel Spaß macht. Zumindest allen Spielern, die sowohl Deduktions- als auch Workerplacement-Mechanismen mögen. Denn diese beiden Elemente bilden das Gerüst von Die Alchemisten. Der Einsatz der Arbeiter und die möglichen Aktionen bereiten den meisten Spielern keine Probleme, doch die Deduktionsseite sorgt am Anfang manchmal für größeres Kopfzerbrechen. Dieser Faktor ist bei den Alchemisten leicht gewöhnungsbedürftig, aber sobald man den Mechanismus verinnerlicht hat, bereitet das Gesamt werk keine Probleme mehr.

Trotz hohem Glücksanteil und den komplexen Analysen steht der Spaß bei den Alchemisten im Vordergrund. Das trifft natürlich auf fast jedes Spiel zu, aber Die Alchemisten ist außerdem höchst humorvoll und unterhaltsam in Szene gesetzt. Allein schon die grundlegende Idee des Experimentierens an Studenten zaubert ein Grinsen ins Gesicht vieler Spieler ;-)

Experimente sind vor allem zu Beginn das A und O des Spiels, aber relativ schnell sollten sich die Spieler auch zu Theorie-Publikationen durchringen. Denn der frühe Vogel fängt den Wurm und grast schnell die Drittmittel ab, die neben den Siegpunkten auch zwei dringend benötigten Gold einbringen, die in sichere Studentenexperimente investiert werden können. Außerdem winkt dem mutigen Spieler ja die Auszeichnung zum Alchemist des Monats, was wiederum einen Rufpunkt (=Siegpunkt) zur Folge hat. Etwaige Theorie-Widerlegungen durch Konkurrenten bzw. ein Punkteverlust bei der Schlusswertung müssen halt in Kauf genommen werden..

Fazit:

Wer ein Freund von Deduktionsspielen, Workerplacement-Mechanismen und einer langen Spielzeit ist, kommt an den Alchemisten nicht vorbei. Neben dem originellen und innovativen Konzept überzeugt auch die fantastische Optik und sorgt dafür, dass Die Alchemisten ein wahrer Augenschmaus ist. An diesem Spiel gibt es echt nicht viel auszusetzen. Selbst der vorhandene Glücksfaktor schlägt in diesem Fall nicht negativ zu Buche, sondern wird auch von Vielspielern als integriertes Stilmittel bedingungslos akzeptiert. Ergo: klare Weiterempfehlung ohne jegliche Abstriche.

Samstag, 2. Januar 2016

Green Deal



Verlag: Karma Games
Autor: Juma Al-JouJou
Spieleranzahl: 3 - 5
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 90 Minuten


Einleitung:

Wir schreiben das Jahr 2050. Drei bis fünf Spieler verkörpern die Leitungen nationaler Konzerne, deren originäre Aufgaben unter anderem die Profitsteigerung und eine Forschungsentwicklung sind. Doch auch Umweltstandards und die Einhaltung sozialer Verantwortungskompetenzen sind Voraussetzungen für nachhaltige Erfolgsaussichten. Welches Unternehmen schafft es am besten, all diese Faktoren zu optimieren und durch geschickte PR-Aktionen das Firmenimage zu fördern?

Ablauf:

Zunächst wird der Spielplan in die Mitte gelegt, der verschiedene Bereichsfelder beinhaltet. Neben einer Rundenleiste gibt es vier Nachhaltigkeitsskalen, auf der die Spieler im Verlauf einer Partie aufsteigen können. Auf der rechten Seite befindet sich eine Weltkarte für die Expansionen, und der untere Abschnitt zeigt eine Cash- und eine Einkommensskala. Last not least gibt es eine klassische Siegpunktleiste, die um das Spielfeld herumführt. Neben dem Spielplan werden alle weiteren benötigten Utensilien bereitgelegt (z.B. PR-Chips sowie Nachhaltigkeits- und Aktionskarten). Die Nachhaltigkeits- und Aktionskarten der aktuellen Runde liegen offen aus, ebenso die Karten der nächsten Runde (zur besseren Planbarkeit).

Green Deal verläuft über zehn Runden, die jeweils in vier Phasen untergliedert sind. Außerdem gibt es am Ende von bestimmten Runden eine Zwischenwertung. In der Auktionsphase stellen die Spieler verdeckt Gebote auf die Spielerreihenfolge ein. Das Geld eines Spielers wird auf der Cashskala dargestellt. Nachdem jeder Spieler sein Gebot eingestellt hat, beginnt die Buchhaltungsphase. Hier wird die Spielerreihenfolge angepasst, das gebotene Geld von der Cashskala abgezogen und das Einkommen gemäß den Positionen auf der Einkommensskala verteilt (=entsprechendes Vorrücken auf der Cashskala). Reihum dürfen die Spieler anschließend eine von fünf möglichen Aktionen in der Investitionsphase ausführen. Der aktive Spieler darf entweder eine Nachhaltigkeitskarte kaufen, eine Aktionskarte nehmen, ein Darlehen nehmen, eine Aktionskarte und ein Darlehen nehmen oder auf eine Karte verzichten. Dem letzten Spieler der Spielerreihenfolge steht keine Nachhaltigkeitskarte zur Verfügung, wenn die Spieler vor ihm allesamt eine solche Karte genommen haben. Optional kann der Spieler zusätzlich einen PR-Chip kaufen, eine Dividende ausschütten und/oder Aktionskarten ausspielen.

Nachhaltigkeitskarten kosten Geld (Abzug auf der Cashskala), verändern das Einkommen (positiv oder negativ) und bringen Siegpunkte. Außerdem steigt der Spieler auf der Nachhaltigkeitsskala der entsprechenden Kategorie auf. Weiterhin darf der Spieler einen Marker auf die Weltkarte platzieren. Im Lauf des Spiels können die Spieler ihre Imperien ausbauen und ggf. mit benachbarten Spielern (auf der Weltkarte) kooperieren oder in Konkurrenz treten. Beide Möglichkeiten wirken sich auf die Einkommensskala aus.

Im Lauf einer Partie finden verschiedene Wertungen statt. Dabei erhalten die Spieler Siegpunkte für ihre Positionen auf den einzelnen Nachhaltigkeitsskalen. Das Spiel endet nach der zehnten Runde. Nun erhalten die Spieler noch ggf. Siegpunkte für spezielle Aktionskarten. Der Spieler mit den meisten Punkten hat dann gewonnen.

Meinung:

Green Deal ist ein hervorragendes Strategie-Wirtschaftsspiel, bei dem die Spieler an vielen Rädchen drehen können und entsprechend viele Facetten im Auge behalten sollten. Vor allem eine ausgewogene Balance auf den vier Nachhaltigkeitsskalen ist extrem wichtig um bei allen Wertungen eine Rolle zu spielen. Einseitige Spezialisierungen sind zum Scheitern verurteilt, weshalb dem Startspielervorteil eine große Bedeutung zukommt. Über diese Reihenfolge entscheidet sich oftmals der Sieg. Andererseits sollten die Spieler keinesfalls zu viel Geld auf diese Rolle bieten, um für die eigentliche Aktion (vorzugsweise eine Nachhaltigkeitskarte kaufen) genügend Kohle übrig zu haben. In diesem Zusammenhang lohnt sich auch das genaue Beobachten der Mitspieler. Wieviel Cash steht denen zur Verfügung? Und welche Projekte werden sie voraussichtlich kaufen, wenn sie die Möglichkeit dazu haben? Anhand solcher Vorab-Analysen kann unter Umständen eingeschätzt werden, wie viel Geld den Konkurrenten der Startspieler (vermutlich) wert ist. Und logischerweise kann man dann sein Gebot entsprechend anpassen, was aber selbstverständlich nicht immer funktionieren muss. Denn manchmal denken die Mitstreiter gänzlich anders als erwartet und verfolgen völlig überraschende Ziele.

Auch wenn der Kauf von Nachhaltigkeitsprojekten in der Regel die erste Wahl ist, sollten die Aktionskarten und deren Vorteile keinesfalls unterschätzt werden. Oftmals sind diese Optionen mächtig und verschaffen den Spielern immense Vorteile während des gesamten Spiels. Auch PR ist bedeutsam – insbesondere wenn eine Wertung ansteht. De facto sind alle Möglichkeiten wichtig und verlockend, daher müssen die Spieler immer gut abschätzen, welcher Vorteil ihnen zum aktuellen Zeitpunkt am meisten bringt. Und da Green Deal sehr gut ausbalanciert ist, müssen die Protagonisten ihre kleinen grauen Zellen meistens bis zum glühen bringen.

Dennoch ist Green Deal eigentlich nicht kompliziert. Sowohl die Struktur als auch die Handlungsstränge sind logisch konzipiert und perfekt aufeinander abgestimmt. Der Glücksfaktor ist minimal, und alles in allem ist Green Deal zweifellos eine Veröffentlichung für Kenner und Vielspieler. Vor allem Wirtschaftssimulations-Fans die beispielsweise Spiele wie Funkenschlag zu ihren Favoriten zählen, dürfte Green Deal bestens gefallen. Dieses Klientel kommt beim Kauf des Spiels sicherlich auf seine Kosten.

Gibt es nach so viel Lob eigentlich auch Kritikpunkte? Kaum. Die Spielanleitung könnte an der ein oder anderen Stelle vielleicht minimal ausführlicher verfasst sein, aber insgesamt ist das Regelwerk gut verständlich konzipiert. Die Scheibenzeiger zum Auktionsgebot sind zu locker und drehen sich zu leicht. Aber das alles ist Jammern auf hohem Niveau. Insgesamt betrachtet ist Green Deal einfach ein verdammt gutes Spiel, das eine Weiterempfehlung redlich verdient hat.

Fazit:

Im Meinungsblock wurde bereits alles gesagt. Green Deal ist ein hervorragendes Wirtschaftsspiel mit Anspruch und Tiefe, das allen Vielspielern sicherlich ans Herz gelegt werden kann. Thematisch schlägt das Ganze grob in Richtung Funkenschlag, allerdings ist Green Deal ein bisschen komplexer und vielschichtiger. Wer Freude an anspruchsvollen Wirtschaftssimulationen hat kann hier beruhigt zuschlagen.