Mittwoch, 22. Juni 2016

Madeira



Verlag: What´s Your Game / Huch
Autor: Nuno Bizarro Sentieiro / Paulo Soledade
Spieleranzahl: 2 - 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 60 - 150 Minuten


Einleitung:

Neben Cristiano Ronaldo ist Portugal vor allem für die Insel Madeira bekannt, die offiziell im 15. Jahrhundert entdeckt wurde. Zusammen mit dem namensgebenden Material Holz sind Weizen, Zucker und Wein wichtige Wirtschaftsgüter, die auch im vorliegenden Brettspiel eine gewichtige Rolle spielen. Um Siegpunkte zu erlangen, erfüllen die Spieler königliche Aufträge, entsenden Expeditionen, bauen ihre Handelsrouten aus usw. Die Gefahren des Spiels sind mannigfaltig, z.B. das Hungern der Bevölkerung, das Ausgehen von Geld oder die Notwendigkeit, diversen Piraten zu begegnen. Wer meistert alle Faktoren am besten und gewinnt das Spiel mit den meisten Prestigepunkten?

Ablauf:

Zunächst wird der Hauptspielplan in die Mitte gelegt und mit allen benötigten Utensilien bestückt. Dazu gehören unter anderem auch die Charakterplättchen, die Gildengünste in den drei Städten und die königlichen Belohnungen in den Kolonien. Weiterhin werden die Holzressourcen auf die entsprechenden Felder positioniert. Neben den Hauptplan wird der spielerabhängige Gildenplan ausgelegt, auf den die Aufträge der Krone platziert werden. Jeder Spieler beginnt mit Arbeitern in der Stadtwache, auf zwei verschiedenen Erntefeldern und auf einem freien Stadtfeld. Das Startkapital pro Spieler beträgt 5 Real (=Geld), 4 Brot, 1 Weizen, 1 Zucker, 1 Wein und 1 Holz.

Madeira verläuft über fünf Runden, die in verschiedene Phasen untergliedert sind. In der Rundenvorbereitung werden zunächst die Piraten- und Gildenwürfel geworfen und auf die dazugehörigen Felder der Stadtwache bzw. auf den Gildenplan verteilt. Reihum wählen die Spieler nun eine Gilde aus und nehmen die entsprechenden Gildenwürfel an sich. Die eingangs gewürfelten Werte dürfen dabei nicht verändert werden. Jetzt nehmen sich die Spieler noch einen Auftrag der Krone aus ihrer Reihe. Am Ende der Runden 1, 3 und 5 erhalten die Spieler Siegpunkte für erfüllte Aufträge. Es folgt die nächste Phase, in welcher die Spieler Charakter-Aktionen ausführen können. Dazu setzen sie ihre Würfel auf Personenplättchen und führen die dazugehörige Aktion aus. Alternativ kann der aktive Spieler auch ernten und nimmt sich dafür entsprechende Ressourcen von den Regionen des Hauptspielplans, wo er mit seinen Arbeitern vertreten ist. Für das Einsetzen der Würfel gelten gewisse Regeln, die mit der Abgabe von Brot beeinflusst werden können. Außerdem besteht noch die Möglichkeit, einen Piratenwürfel einzusetzen, was jedoch einen Arbeiter der Stadtwache kostet.

Durch die Aktionen können Arbeiter auf Erntefelder gesetzt werden, Schiffe können bewegt werden, Gildengünste können erworben werden und Arbeiter können in die Städte versetzt werden. Nahezu alle Aktionsmöglichkeiten sind mit Kosten verbunden, die meistens mit Holz zu entrichten sind. Abhängig von der gewählten Aktion können jedoch auch andere Ressourcen verlangt werden (z.B. Zucker im Rahmen der Kommandanten-Aktion). Es folgen die Gebäude-Aktionen, die von den gesetzten Aktionsmarkern abhängig sind. In dieser Phase müssen die Spieler die Kosten des Gebäudes (in Real) bezahlen, oder sie erhalten Piratenmarker im Wert der nicht bezahlten Aktion. Gebäude-Aktionen bringen den Spielern zumeist diverse Vorteile oder Brot. Nun folgt die Versorgungsphase, in der die loyalsten Spieler der Stadtwache geehrt werden, die Arbeiter in den Kolonien ernten, etwaige Schiffe instand gehalten werden (mit Holz) und die Arbeiter ernährt werden müssen. In der letzten Phase können jetzt noch Aufträge der Krone erfüllt werden oder gerodete Felder werden zu Agrarkultur-Feldern umgewandelt.

Madeira endet nach der fünften Runde. Nun werden die Piratenplättchen ausgezählt, und die Spieler mit den meisten Piraten verlieren Siegpunkte. Waren, Holz und Brot werden in Real umgerechnet. Fünf Real sind einen Prestigepunkt wert. Der Spieler mit den meisten Punkten hat dann gewonnen.

Meinung:

Madeira ist ein Spiel der Extreme. Extrem komplex. Extrem verschachtelt. Extrem schwer. Und extrem geil! Das Autorenduo Paulo Soledade und Nuno Bizarro Sentieiro ist dem ein oder anderen Vielspieler vielleicht von Nippon ein Begriff, doch das zwei Jahre früher erschienene Madeira ist nochmal einen Tacken komplizierter und anspruchsvoller konzipiert. Jede Entscheidung will gut überlegt sein, denn es hakt an allen Ecken und Enden. Somit ist Madeira quasi der Inbegriff eines Mangelspiels, und dementsprechend ratlos stehen die Spieler der Veröffentlichung bei der ersten Partie gegenüber. Die Vielzahl an Details, Regeln und Zusammensetzungen erschlägt selbst erfahrene Spieler, doch genau diese Legion an Möglichkeiten macht Madeira so genial. In etlichen Partien konnte sich nämlich kein Königsweg  herauskristallisieren, der mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit zum Sieg führt. Dafür sind die Optionen einfach zu breitgefächert, und jede Strategie kann letztendlich zum Erfolg (oder auch Misserfolg) führen.

Über eines sollten sich die Spieler aber im Klaren sein: um den Erhalt von Piratenplättchen geht kein Weg herum. Viele Protagonisten sind von 16 Straf-Minuspunkten für die meisten Piraten abgeschreckt und versuchen mit aller Gewalt, diesen Plättchen aus dem Weg zu gehen. Das ist jedoch eine Milchmädchenrechnung, denn auf diese Weise verzichtet ein Spieler auf viele Zusatzaktionen, die im Prinzip dringend notwendig sind. Wenn absehbar ist, dass die Mitstreiter tatsächlich diesen Weg einschlagen (mit aller Gewalt Piraten ausweichen), lohnt sich sogar ein exzessives Nutzen aller Piratenmöglichkeiten. Wenn man eh die Maximalanzahl an Minuspunkten kassiert, muss sich das wenigstes lohnen ;-)

Die vermutlich wichtigste Ressource von Madeira ist Holz. Dieser Rohstoff wird ständig für alle möglichen Kosten benötigt, daher ist der Zugang zu diesem Gut absolut lebensnotwendig. Und da das Holz auf den Erntefeldern irgendwann abgerodet ist, empfiehlt sich zusätzlich die Belegung des Waldfeldes, das keiner der drei Regionen zugeordnet ist. Dafür ermöglicht ein Arbeiter auf diesem Feld den ständigen Zugang zu Holz, und ein Holzzugang ist Voraussetzung für den Kauf von Holz mit Real (gemäß Kaufliste). Nichtsdestotrotz sollten auch die anderen Ressourcen nicht vernachlässigt werden, da sie unter Umständen für alternative Aktionen benötigt werden.

Fakt ist, dass ein einzelner Spieler nicht auf allen Hochzeiten tanzen kann. Man kann einfach nicht alles bekommen, und darüber sollten sich alle Mitstreiter im Klaren sein. Und wenn man diese Tatsache erstmal verinnerlicht hat, sinkt auch das Frustpotential, das in den ersten Partien noch recht ausgeprägt zu Tage tritt. Am Anfang verzweifeln die Spieler richtiggehend, weil ihnen immer irgendwas fehlt. Keine Angst – da gewöhnt man sich dran. Madeira ist halt kein Kuschelspiel mit Ressourcenüberfluss, sondern ein mega-komplexes Strategie-Taktikspiel, bei denen die Protagonisten knallhart ihren Weg gehen sollten. Manchmal ist zu lesen, dass Madeira mehr Arbeit als Spiel ist. Blödsinn! Natürlich ist der Einstieg extrem mühselig und anstrengend, aber wenn man die Mechanismen erstmal in- und auswendig kennt, entschädigt der gigantische Spielspaß auf ganzer Linie für alle Mühen, die Neulinge zugegebenermaßen anfangs auf sich nehmen müssen.

Fazit:

Ist man im Spiel angekommen, kennt die Spielfreude von Madeira keine Grenzen. Wobei diese Aussage natürlich nur auf Hardcore-Vielspieler zutrifft, die definitiv das ausschließliche Klientel darstellen. Für Kinder, Familien und unerfahrene Gelegenheitsspieler ist Madeira absolut ungeeignet. Für Vielspieler-Insider kann das Spiel jedoch nicht genug gelobt werden. Absolute Eliteklasse. Klare Kaufempfehlung ohne jegliche Abstriche.

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