Verlag: Delicious Games / Pegasus
Autor: Vladimir
Suchy
Spieleranzahl:
1 – 4
Alter:
ab 12 Jahren
Spieldauer:
60 – 150 Minuten
Einleitung:
Die Erde liegt im Sterben und wird in ein
paar Jahren nicht mehr bewohnbar sein. Doch es gibt Hoffnung, denn nur wenige
Lichtjahre entfernt wurde ein Planet entdeckt, welcher der Erde ähnelt und eine
neue Heimat bieten könnte. In Evacuation
bleibt den Spielern nur wenig Zeit um die Alte Welt zu evakuieren mit dem Ziel,
in der Ferne eine neue Zivilisation zu gründen. Nun gilt es, die eigene Technologie
und Raumfahrt auszubauen und außerdem die besten Siedlungsplätze sowie die reichhaltigsten
Rohstoffvorkommen in der Neuen Welt zu erschließen.
Ablauf:
Bevor eine Partie überhaupt angefangen wird,
einigen sich die Spieler auf ein Spielsystem inkl. gewünschter Module. Dazu
folgen am Schluss dieses Blocks ein paar kurze Erläuterungen. In dieser
Rezension wird der Einfachheit halber der sogenannte Rennmodus beschrieben, der
für die ersten Partien empfohlen wird.
Zunächst wird der Spielplan in die Mitte
gelegt und jeder Spieler bestückt einen Kontinent der Alten Welt mit seinen
Produktionsstätten. Zwei Marker jeder Farbe kommen auf die Fortschrittsleiste.
Jeder Spieler erhält ein eigenes Spielertableau und ein zufälliges Set mit
Technologieplättchen, die er auf seinem Tableau anordnet. Weiterhin bekommt
jeder Spieler 10 Aktionskarten und ein Stadion. Die Produktionsmarker jeder
Farbe stehen auf Feld 0 der Produktionsleiste der Neuen Welt. Die Plätze um den
Hauptspielplan werden mit verschiedenen Karten bzw. Plättchen bestückt
(Stadien, Raumschiffe, Infrastrukturen).
Evacuation verläuft über vier
Durchgänge, die in verschiedene Phasen untergliedert sind. Zunächst erhalten
die Spieler ihr Einkommen in beiden Welten. Anschließend folgt die Aktionsphase,
gefolgt vom Transport. Dann wird die Zugreihenfolge angepasst und die Spieler
schreiten auf der Fortschrittsleiste voran. Last not least erhalten die Spieler
evtl. einen Bonus und es werden neue Karten aufgedeckt. Doch gehen wir nun
genauer auf die einzelnen Teilaspekte ein.
Das Einkommen auf der Alten Welt basiert auf
den Produktionsstätten auf dem Spielbrett (Seite der Alten Welt). Im Gegensatz dazu
produziert die Neue Welt die Ressourcen anhand der Marker auf der
Produktionsleiste. Vorhandene Bevölkerungen müssen auf den jeweiligen Welten
mit Nahrung versorgt werden. Ansonsten muss sich der Spieler ein Strafplättchen
nehmen.
Bei der Produktion gibt es drei Arten von
Ressourcen: Nahrung, Stahl und Energie. Neben dem Einkommen zu Beginn eines
Durchgangs können die Spieler auch durch Aktionen Ressourcen erhalten. Um eine
Aktion auszuführen wird eine Aktionskarte unter den entsprechenden Aktionsslot
gelegt. Ab der dritten Aktion eines Spielers sind Aktionen kostenpflichtig und
müssen mit Energie bezahlt werden. Alle Aktionsmöglichkeiten im Detail zu
beschreiben würde den Rahmen dieser Rezension sprengen, deshalb sei lediglich
gesagt, dass alle Optionen letztendlich dazu dienen, die Produktionsstätten und
Gegebenheiten der Alten Welt sukzessive auf die Neue Welt zu überführen. Technologien
und Infrastrukturen sind dabei eine große Hilfe.
Die Aktionsphase endet, wenn alle Spieler gepasst
haben. Jetzt werden gebaute Raumschiffe mit Gebäuden, Produktionsstätten und
Ressourcen in der Alten Welt beladen und können zur Neuen Welt transportiert
werden. Achtung: dabei sind die Platzkontingente der Raumschiffe zu beachten
und Energiekosten für den Transport zu zahlen! Auch für Rückflüge von der Neuen
zur Alten Welt sind Energiekosten zu entrichten. Weiterhin zu beachten sind die
verfügbaren Flächen der Neuen Welt und natürlich müssen Gebäude/Produktionsstätten
zum Zielfeld passen. Es folgen die Anpassung der Spielerreihenfolge und der
Fortschritt der Spieler auf der Fortschrittsleiste. Dieser Fortschritt richtet
sich nach den Aktionspunkten, die jeder Spieler in der Aktionsphase erhalten
hat. Überquert ein Spieler mit seinen Markern die Wendepunkte der Fortschrittsleiste,
erhält er Boni bzw. darf er fortan in lukrativeren Bereichen der Neuen Welt siedeln.
Das Spielende wird eingeleitet sobald ein
Spieler drei Stadien in der Neuen Welt besitzt und mit allen Ressourcenmarkern
über Wert 8 der Produktionsleiste liegt. Spätestens nach dem vierten Durchgang
ist auf jeden Fall Schluss. Nun erfolgt noch die Auswertung von Strafen und
Boni und der Spieler, der dann alle Siegbedingungen erfüllt hat, gewinnt das
Spiel. Tiebreaker ist der Zufriedenheitsgrad der Bevölkerung.
Wie eingangs erwähnt kann das Spiel in
verschiedenen Variationen gespielt werden. Im Punktemodus werden auf jeden Fall
alle Durchgänge gespielt und der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt. Wahlweise
kann auch mit einem Auftragsmodul und/oder mit einer Linienvorherrschaft
gespielt werden. Darüber hinaus gibt es eine Variante mit fortgeschrittenen
Aktionen. Last not least steht ein Solomodus mit einem Automa zur Verfügung.
Ziel hierbei ist ein möglichst hoher Abschlusswert.
Meinung:
Vladimir Suchy ist zweifellos einer der
Top-Brettspielautoren im Kenner- und Expertensektor. Veröffentlichungen wie Woodcraft, Pulsar 2849, Praga Caput
Regni, Underwater Cities usw.
sind Highlights in jeder Kenner-Brettspielsammlung. Das vorliegende Werk Evacuation ist meiner Meinung nach sein
bislang komplexestes Spiel. Die VÖ bietet den Spielern extrem hohen Anspruch
mit verzahnten und aufeinander abgestimmten Handlungsoptionen. Die logische
Abfolge von sinnvollen Aktionen ist aber nicht ohne, zumal man
Multitasking-fähig sein sollte. Denn schließlich muss man immer die Situationen
von zwei Welten im Auge behalten.
Der ständige Mangel an Energie macht die
Sache definitiv nicht leichter. Energie wird für möglichst viele Aktionen
benötigt aber auch für den Transport gekaufter Raumschiffe. Und diese Schiffe
werden hundertprozentig gebraucht um eine realistische Gewinnchance zu haben.
In der ersten Runde sollten nach Möglichkeit die schwächeren Produktionsstätten
evakuiert werden um die Produktion in der Alten Welt hoch zu halten. Dann muss
es jedoch Schlag auf Schlag gehen, um die Leisten in der Neuen Welt hochwandern
zu können. Unabhängig von dieser ausgewogenen Balance sollte unbedingt die
Auslage der Stadien, Raumschiffe und Infrastrukturen beobachtet werden. Wenn
ein „Schnäppchen“ ausliegt gilt es, gleich zuzugreifen. Zumindest in unseren
Runden hat das jeder gemacht und die Zugreihenfolge war den meisten Spielern nicht
sooo wichtig. Technologien können eine große Hilfe sein und sollten frühzeitig
ausgebaut werden. Dabei ist es lobenswert, dass die Technologiesets
unterschiedlich sind. Vielleicht fühlt sich das eine Set stärker als ein
anderes an, aber jede Sammlung hat seine Vor- und Nachteile. Diese muss man
halt erkennen und möglichst effizient ausnutzen.
Zwischenfazit: Evacuation ist ein hervorragendes Expertenspiel, das allen Freunden
komplexer Brettspiele grundsätzlich viel Spaß macht. Allerdings gibt es auch kleinere
Kritikpunkte, die nicht unerwähnt bleiben sollen. Der Punktemodus über alle
vier Runden gefällt mir persönlich eigentlich besser, aber trotz Draftens
hatten einige Spieler das Gefühl, dass ihre Zielkarten schwieriger zu meistern
waren als andere. Ich selbst empfand das zwar nicht so, aber dafür störte mich
der (mutmaßliche) Glücksfaktor bei den Auslagen. Es wird immer wieder dazu
kommen, dass z.B. ein teureres Stadion notgedrungen gekauft wird und danach ein
superbilliges Schnäppchenstadion für einen lausigen Rohstoff aufgedeckt wird.
Schön für den Folgespieler, aber mich hat das immer gestört. Unbefriedigend
beim Rennmodus war andererseits die Tatsache, dass ausschließlich die
Zufriedenheit beim Erreichen aller Ziele ausschlaggebend ist. Was generell alle
Spieler angemerkt haben ist die „Härte“ des Spiels. Evacuation verzeiht kaum Fehler und wurde von vielen Mitstreitern
als bestrafend empfunden. Auch das kommt nicht bei allen Spielern gut an. Man
muss sich also schon darüber im Klaren sein, dass Evacuation ein Eurogame-Schwergewicht ist, das mit jeder Partie an
Erfahrung gewinnt. Es gibt eine ausgeprägte Lernkurve, was ich als positiv
ansehe, denn dadurch wird der Wiederspielreiz hoch gehalten.
Der Einstieg ist jedoch nicht leicht. Die
Anleitung an sich ist ziemlich gut, aber aufgrund der Komplexität hätte ich mir
an manchen Stellen mehr Beispiele gewünscht. Auch die Symbolik/Grafik ist nicht
immer selbsterklärend und muss ab und zu nachgeschlagen werden. Sehr schön ist
diesbezüglich aber die letzte Seite der Anleitung, wo die Symbole wunderbar
aufgelistet und erklärt sind.
Fazit:
Evacuation ist generell ist
sehr gutes Spiel, aber es ist nicht unbedingt für jeden Spieler geeignet. Interessenten
sollten ein Faible für das Thema mitbringen, sich in kleinteilige
Spielmechaniken „einarbeiten“ wollen und Spiele mit hoher Komplexität mögen.
Dann erwartet sie ein tolles Spiel mit vielen Variationsmöglichkeiten. Aufgrund
der Einstiegshürde und der Tatsache, dass mir einige andere Veröffentlichungen
von Suchy einen Tick besser gefallen, bleibe ich jedoch knapp unter einer
Höchstbewertung.