Dienstag, 3. Januar 2017

Naufragos - Die Schiffbrüchigen



Verlag: Lookout Games / Asmodee / ASS Altenburger
Autor: Alberto Corral
Spieleranzahl: 1 - 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 120 Minuten


Einleitung:

In Naufragos sind ein bis vier Spieler auf einer einsamen Insel gestrandet und müssen dort um ihr Überleben kämpfen. Die Erkundung der Insel spielt dabei eine wichtige Rolle, denn nur mit dem Erreichen des Hochlands besteht Hoffnung auf Rettung. Da nahezu alle Aktionen Energie verbrauchen, ist des Weiteren eine kontinuierliche Nahrungsaufnahme erforderlich, um die Charaktere vor dem sicheren Tod zu bewahren. Und ohne einen geschlossenen Zusammenhalt des Teams können die Herausforderungen kaum bewältigt werden, und dann ist ein Scheitern der Mission quasi vorgezeichnet.

Ablauf:

Naufragos besteht aus einem Hauptplan, einem Erkundungsplan und einen Lagerplan. Jeder Spieler erhält eine Charakterkarte mit zwei dazugehörigen Spielfiguren und zwei farblich passenden Markern. Ein Marker wird auf die Energieleiste der Charakterkarte platziert, der andere kommt auf das Startfeld der Erkundungsleiste. Auf den Erkundungsplan werden drei separate Kartendecks gelegt. Ereignis- und Überrestekarten kommen auf den Hauptplan, und das Lager wird mit den fünf Start-Lagerkarten bestückt. Die weiteren Karten werden neben den Plänen bereitgelegt; sie kommen im weiteren Verlauf der Partie ins Spiel. Nun werden noch die Sammel- und Fischplättchen sowie die Berichtspunktechips bereitgelegt. Dann kann es auch schon losgehen.

Zu Beginn einer Runde wird zunächst immer eine Ereigniskarte aufgedeckt. Diese Karte beinhaltet eine Wetteränderung, schwemmt ggf. Wrackteile ans Ufer und gibt sonstige Rahmenbedingungen für die laufende Runde vor. Sofern der Startspieler nicht verschollen ist, führt er nun eine zusätzliche Startspieleraktion im Lager aus (z.B. Fischen etc.). Anschließend setzen die Spieler reihum ihre Figuren auf die verfügbaren Aktionsfelder (=Aktionsplanung). Jetzt versuchen die verschollenen Spieler durch Würfeln ins Lager zurückzukehren. Dabei sinkt die Schwierigkeit von Versuch zu Versuch. Nun werden die geplanten Aktionen der nicht verschollenen Spieler von oben nach unten abgehandelt. Als Aktion können die Spieler beispielsweise Nahrung sammeln, Feuer machen, Bauen, Holz besorgen etc. Ansonsten können sie als Aktion auch auf Erkundung gehen, was gleichzeitig die nächste Phase der aktuellen Runde ist. Auf einer Erkundung ziehen die Kundschafter Erkundungskarten, die neben dem eigentlichen Text auch ermöglichen, auf der Erkundungsleiste voranzuschreiten. Einige Erkundungen erlauben auch das Ziehen von Berichtspunktechips. Außerdem erhöht sich zumeist der Schwierigkeitsgrad zur Rückkehr in das Lager. Die Kundschafter können entweder ihre Erkundung beliebig oft fortsetzen oder irgendwann versuchen, zurückzukehren. Gelingt die Rückkehr nicht, gelten sie als verschollen und müssen in der nächsten Runde zwangsweise versuchen, heimzugehen.

Gegen Ende einer Runde beginnt die Überlebensphase, in der die Spieler Nahrung zu sich nehmen müssen. Ansonsten sinkt ihre Energie und sie erleiden Wunden, die sich unter Umständen zu Infektionen ausweiten können. Mit der vierten Infektion stirbt der Charakter. Sofern ein Feuer am Lager brennt und die Spieler genug zu essen haben, erhalten sie Energie zurück. Um das Feuer am brennen zu erhalten muss jedoch immer ein Holzscheit geopfert werden. Überzählige verderbliche Nahrung wird jetzt weggeworfen. Der Startspieler wechselt und die nächste Runde beginnt.

Das Spielende naht, sobald ein Kundschafter die Hochebene erreicht hat. Dieser Spieler darf entscheiden, ob das Spiel zur aktuellen Runde endet oder erst nach Abschluss des nächsten Durchgangs. Die Gruppe wird nur dann gerettet, wenn sie am Ende die Siegbedingungen erfüllt (z. Zeichen im Sand ereichtet plus großes Signalfeuer entfacht plus Fernrohr und Logbuchs des Kapitäns geborgen usw.). Innerhalb der geretteten Gruppe gewinnt der Spieler mit den meisten Berichtspunkten. Hinweis: Berichtspunkte erhält man über diverse Erkundungen, aber auch durch Einträge ins Tagebuch, aber diese Aktion bringt der Gruppe keinen Nutzen, sondern ist ausschließlich egoistisch :-)

Meinung:

Naufragos – Die Schiffbrüchigen bietet ganz viel spielerisches Licht und nur einen einzigen großen Schatten, und mit dem fangen wir in diesem Meinungsblock einfach mal an. Der Schatten bzw. der Hauptkritikpunkt am Spiel ist ganz klar die Anleitung, die trotz mehrfacher Überarbeitung immer noch fürchterlich ist. Ehrlich gesagt ist mir unbegreiflich, warum das ursprüngliche Regelwerk immer wieder modifiziert bzw. verbessert wurde. Sowas ist Flickwerk. Es wäre viel sinnvoller gewesen, die erste Anleitung in die Tonne zu kloppen und komplett neu aufzusetzen. Denn trotz erkennbarer Verbesserungen ist das Regelbuch nach wie vor unbefriedigend erläutert. Vier Seiten mehr mit ausführlicheren Erklärungen und bebilderten Beispielen wären für das Verständnis deutlich angenehmer gewesen. In der aktuellen Regelversion müssen sich die Spieler immer noch durch minimalistisch geschilderte Vorgaben quälen, und wenn mal ein Halbsatz übersehen wurde, hängt manchmal das Gesamtverständnis. Zugegebenermaßen bildet die Anleitung den überwiegenden Großteil der Regeln ab, aber es fehlen streckenweise einfache Formulierungen und Beispiele. Unbegreiflich, wie man dieses Regelwerk vom Lektorat durchwinken konnte.

Aber das war´s auch schon mit der Meckerei. Alles andere ist eitel Sonnenschein, und darauf kommt es schließlich an. Denn Naufragos ist ein bockstarkes Survival-Strategiespiel, dessen semi-kooperatives Element die Suppe im Salz ist. Naufragos –Die Schiffbrüchigen ist an sich schon schwer zu gewinnen, doch das Berichtspunkte-Prinzip sorgt für hitzige Diskussionen innerhalb der Gruppe. Natürlich möchte jeder gerne auf Erkundungen gehen (um mit Glück einen zusätzlichen Berichtspunktechip abzugrasen), aber nur mit Erkundungen ist ein Fehlschlag vorprogrammiert. Es müssen sich auch Spieler bereiterklären, Nahrung zu sammeln, Holz zu organisieren, bei Konstruktionen mitzuwirken etc. Alles Dinge, die für die Gruppe lebenswichtig sind. Aber die halt keine Berichtspunkte abwerfen. Um eine realistische Chance auf den Sieg zu wahren, müssen sich die Spieler also unbedingt fair arrangieren. Mal geht der eine Spieler auf Erkundung, mal der andere. Genauso sieht es beim bergen von Wrackteilen aus. Wenn ein Spieler auffällig viele Teile mit Berichtspunkten nimmt, sollte ihm die Gruppe sachlich aber auch deutlich verbal auf die Finger hauen. Das hört sich zwar merkwürdig an, ist aber letztendlich sogar gut für das gesamte Team. Denn nichts ist schlimmer als ein nichtsnutziger Mitstreiter, der durch puren Egoismus glänzt. Das führt in der Regel dazu, dass seine Mitspieler ebenfalls nur noch egoistisch agieren, und dann ist ein Scheitern der Gruppe sicher. Aus dieser Sicht besitzt Naufragos sogar ein pädagogisches Element, das im Übrigen ein bisschen mit dem Prinzip von Archipelago verglichen werden kann.

Ansonsten bietet sich natürlich ein Vergleich mit Robinson Crusoe – Abenteuer auf der verfluchten Insel an. In diesem Vergleich zieht Naufragos weder den kürzeren noch stellt es den Konkurrenten in den Schatten. Beide Spiele haben ihre Stärken und machen tierisch viel Spaß. Naufragos ist vielleicht sogar ein bisschen schlanker konzipiert und ist damit etwas leichter zugänglich.

Ein Riesenlob gebührt der Atmosphäre des Spiels. Naufragos ist logisch aufgebaut und hat ein realistisches Flair. So stellt man sich den Überlebenskampf auf einer einsamen Insel im wahren Leben vor. In diesem Zusammenhang empfehle ich auch, die kursiv gedruckten Informationssätze laut vorzulesen. Das zieht das Spiel zwar in die Länge aber steigert das atmosphärische Feeling kolossal.

Apropos Spieldauer: die Spielzeit ist mit 120 Minuten angegeben, aber das schaffen höchstens erfahrene Naufragos-Experten. In der Regel dauert eine Partie zwischen drei und vier Stunden, aber diese Zeit vergeht wie im Flug, weil das Ganze wie gesagt atmosphärisch-dichten Spaß macht.

Fazit:

Wer Survival-Spiele mag und Wert auf Atmosphäre legt, kommt um Naufragos nicht herum. Das Spiel ist anspruchsvoll, macht großen Spaß und zwingt die Protagonisten zu fairen Teamabsprachen. Fans von Veröffentlichungen wie Robinson Crusoe, Archipelago oder auch Arkham Horror können hier bedenkenlos zuschlagen.

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